Brief vom Auswärtigen Amt zu LGBTIQ*-Rechten in Ghana

4. Oktober 2021

An das
Mitglied des Europäischen Parlaments
Herrn Rasmus Andresen, MdEP

Von Robert Zeßner
Referatsleiter für die Beziehungen zum Europäischen Parlament

Auswärtiges Amt

Berlin, 29.09.2021

Ihr Schreiben vom 23. September 2021

Sehr geehrter Herr Abgeordneter,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 23. September 2021 an den Deutschen Botschafter in Ghana. Dieses wurde zuständigkeitshalber an Referat E14 (Beziehungen zum Europäischen Parlament) des Auswärtigen Amts zur Beantwortung weitergeleitet.

Der weltweite Einsatz für den Respekt der Menschenrechte für alle gehört zu den Grundpfeilern der deutschen Außenpolitik. Entsprechend aufmerksam beobachtet das Auswärtige Amt die von Ihnen angesprochenen Entwicklungen in Ghana und erinnert Vertreter:innen der ghanaischen Regierung in bilateralen Gesprächen sehr eindringlich an die Verpflichtungen, die Ghana in diesem Kontext mit der Zeichnung der einschlägigen internationalen Konventionen eingegangen ist.

Auch zu dem aktuellen Gesetzesentwurf, der von acht Abgeordneten in das ghanaische Parlament eingebracht wurde und die Kriminalisierung von LSBTI-Lebensentwürfen vorsieht, steht die deutsche Botschaft in Accra gemeinsam mit EU- und Like-Minded-Partnern mit politischen Entscheidungsträger:innen sowie mit der Zivilgesellschaft in Ghana in engem Austausch.

Neben einer fortlaufenden Analyse der Lageentwicklung orientiert sich das Vorgehen des Auswärtigen Amts auch an Empfehlungen der ghanaischen Zivilgesellschaft sowie ghanaischer Menschenrechtsverteidiger:innen vor Ort. Das Anliegen des Auswärtigen Amts ist es dabei stets, den Schutz und die Rechte von LSBTI-Personen in Ghana zu stärken, ohne das Risiko für weitere Anfeindungen oder Übergriffe auf die LSBTI-Gemeinschaft zu erhöhen.

Darüber hinaus stehen der LSBTI-Gemeinschaft in Ghana wie auch LSBTI-Personen weltweit zusätzliche Unterstützungsmöglichkeiten zur Verfügung. Das Auswärtige Amt bietet über die Elisabeth-Selbert-Initiative ein Schutzprogramm für Menschenrechtsverteidiger:innen, unter anderem auch im LSBTI-Bereich. Durch das im März 2021 verabschiedete LSBTI-Inklusionskonzept der Bundesregierung werden zudem Maßnahmen in den Bereichen Mainstreaming und Dialog gefördert und Projektmittel für zivilgesellschaftliche Organisationen für die Förderung des Schutzes und der Rechte von LSBTI-Personen bereitgestellt.

Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
Robert Zeßner

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Rasmus Andresen
Parlement européen
Bât. ALTIERO SPINELLI
08G115
60, rue Wiertz / Wiertzstraat 60
B-1047 Bruxelles/Brussel
rasmus.andresen@europarl.europa.eu

Daniel Krull
Embassy of the Federal Republic of Germany,
P.O. Box GP 1757, Accra, Ghana
info@accra.diplo.de

Brüssel, 23. September 2021

Bitte um eine Stellungnahme zu den Verletzungen der LGBTIQ*-Rechte in Ghana

Sehr geehrter Herr Botschafter Krull,

aufgrund der jüngsten gesellschaftlichen, politischen und rechtlichen Entwicklungen im
Bezug auf LGBTIQ*-Rechte in Ghana möchte ich, Rasmus Andresen, Abgeordneter des
Europaparlaments, Sie darum bitten als Repräsentant der Bundesrepublik Deutschland zu
der aktuelle Lage von LGBTIQ* Menschen in Ghana Stellung zu nehmen und deutlich zu
machen, dass die geplanten Gesetzesänderungen zur Kriminalisierung vom Einsatz für die
Rechte von LGBTIQ* in keinster Weise mit den Werten der Bundesrepublik übereinstimmt.
Die ghanaische LGBTIQ*-Gemeinschaft lebt bereits seit vielen Jahren in Angst. Durch den
stark ausgeprägten Konservatismus in Ghana müssen sie täglich homophobe Äußerungen
ertragen, die über lokale Fernseh- und Radiosender verbreitet werden. Physische und
psychische Gewalt gegenüber LGBTIQ* nimmt zu. Von willkürlichen Verhaftungen bis hin zu
homophoben Äußerungen religiöser und politischer Führungspersonen –
LGBTIQ*-Menschen in Ghana stehen unter Beschuss. Im Februar diesen Jahres musste die
Gruppe “LGBT Rights Ghana” ihren LGBT*-Center schließen, nachdem die Polizei ihre
Büros gestürmt hatte und viele Mitglieder*innen Morddrohungen erhielten. Im Mai wurden 21
Teilnehmer*innen eines Workshops für Menschenrechte wegen „Befürwortung von
LGBT*-Aktivitäten“ verhaftet.

Aktivist*innen und viele Mitglieder der ghanaischen Community befürchten allein durch die
Diskussion um das LGBTIQ* feindliche Gesetze eine dramatische Zunahme von
Diskriminierung und Gewalt.

Jede Person, die verdächtigt wird, LGBTIQ* zu sein, müsste bei Beschluss des Gesetzes
zur “Förderung der ordentlichen sexuellen Menschenrechte und der ghanaischen
Familienwerte” mit Gefängnisstrafen von bis zu 5 Jahren rechnen. Wer sich für die Rechte
von LGBTIQ*-Menschen einsetzt, könnte mit bis zu 10 Jahren Gefängnishaft bestraft
werden. Der Gesetzentwurf fördert auch sogenannte „Konversionstherapien“, die mit
physischer und psychischer Gewalt LGBTIQ* Menschen einredet, dass ihre Sexualität oder
Identität eine Krankheit ist, die geheilt werden muss.

Ich möchte Sie bitten gemeinsam mit ihren Kolleg*innen Stellung zu beziehen.
Die Europäische Union hat sich bereits Anfang des Jahres deutlich und klar für die
LGBTIQ*-Rechte in Ghana ausgesprochen. Auch zu den Werten der Bundesrepublik gehört
der Einsatz gegen Diskriminierung. Mit Ihrer Unterstützung und einer offiziellen
Stellungnahme zu der dramatischen Lage und dem menschenrechtsfeindlichen
Gesetzesvorhaben, könnte den ghanaischen Behörden gezeigt werden, dass dieses
grausame Gesetz keinen Platz in Ghana hat und die internationale Gemeinschaft nicht blind
und passiv zuschaut.

LGBTIQ*-Menschen haben das Recht haben, in Freiheit und Sicherheit zu leben, ohne
Angst und Bedrohungen. Sollte das Gesetz verabschiedet werden, würde es vielen
Menschen ihre grundlegenden Menschenrechte berauben, eine Atmosphäre der Angst und
Unterdrückung im ganzen Land schaffen und eine Zunahme von Angriffen auf
LGBTIQ*-Personen, ihre Familien und Freund*innen zur Folge haben. Jede*r Ghanaer*in
hat das Recht auf freie Meinungsäußerung, Privatsphäre und Vereinigungsfreiheit und sollte
sich im eigenen Land sicher fühlen.

Wir erwarten Ihrerseits eine baldige Antwort und Stellungnahme zu der soeben
geschilderten Lage und den geplanten Menschenrechtsverletzungen in Ghana.

Mit freundlichen Grüßen,
Rasmus Andresen,
Mitglied des Europäischen Parlaments