Brief an Tom Buhrow zur Positionierung zum EBU-Mitglied BTRC und Teilnahme von Belarus am ERC 2021

10. März 2021

Sehr geehrter Herr Buhrow,

im Anhang übermitteln wir Ihnen zur Ihrer Kenntnisnahme ein Schreiben, das eine Gruppe von Abgeordneten aus unterschiedlichen Fraktionen und Mitgliedstaaten vor kurzem an die EBU gerichtet hatte, sowie die Antwort der EBU hierauf. In ihrem Brief hatten die Abgeordneten Ihrer großen Sorge über die Situation in Belarus zum Ausdruck gebracht. Auch viele Journalist*innen, Medienschaffende, Künstler*innen und Musiker*innen hatten sich den Protesten gegen das Regime des illegitimen und autoritären belarussischen Präsidenten angeschlossen und setzen sich aktiv für die Wahrung demokratischer Grund- und Freiheitsrechte ein. Und so wurden und werden auch sie nicht nur daran gehindert ihre Berufe frei auszuüben, sondern sind Opfer von Einschüchterungsversuchen, Razzien, brutalsten Übergriffe und Verhaftungen.

Wir, die mitunterzeichnenden deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments, wenden uns nun heute mit einem Appell an Sie in Ihrer Funktion als Vorsitzender der ARD, da das EBUMitglied BTRC bei den Vorgängen in Belarus eine mehr als unrühmliche Rolle spielt. Esmacht sich fortgesetzt mitschuldig an gröbsten Verletzungen universeller Grund- und Freiheitsrechte und verstößt nicht zuletzt auch gegen alle journalistischen und ethischen Grundprinzipien. Der Sender ist durch die Verbreitung von Regierungspropaganda, Hassrede und Falschinformationen zu einem bloßen Machtinstrument eines autoritären Regimes verkommen. Nicht-regimetreue Mitarbeiter*innen wurden auf Geheiß oder in vorauseilendem Gehorsam entlassen.

Auch Personen, die in vergangenen Jahren in die Teilnahme Belarus‘ am ESC involviert waren, wurden aufgrund ihrer Bekenntnisse zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit Opfer politischer Verfolgung. VAL, dem für das vergangene Jahr vorgesehenen Beitrag Belarus‘, fehlte es laut Aussagen des BTRC an der passenden Gesinnung und soll nun durch eine*n linientreuen Vertreter*in ersetzt werden. Die Abgeordneten hatten daher an die EBU appelliert, Belarus unter diesen Umständen von der Teilnahme am ESC auszuschließen. Mit der Begründung, dass es sich beim ESC um einen Musikevent handelt, den man nicht politisieren wolle, hat die EBU einen solchen Schritt allerdings ausgeschlossen.

Grundsätzlich ist dieser Ansatz natürlich legitim und auch unterstützenswert. Im konkreten Fall greift diese Begründung aber unserer Ansicht nach viel zu kurz, da der Event auf belarussischer Seite längst politisiert wurde. Und gegen diese offensichtliche Politisierung des ESC durch ein autoritäres Regime müssten sich die EBU und auch deren Mitglieder mit allem Nachdruck verwahren. Die EBU-Mitglieder sollten sich außerdem grundsätzlich die Frage stellen, ob man sich mit einem Sender wie dem BTRC weiterhin gemein machen will. Ein Mitglied, das gegen alle Grundprinzipien verstößt, für die man zu stehen vorgibt und die man sogar aktiv propagiert, sollte unter dem Dach der EBU eigentlich keinen Platz haben.

Die öffentlichen Statements der EBU, in denen die Repressalien gegen Journalist*innen und Medien in Belarus verurteilt wurden, sind natürlich begrüßenswert und die Tatsache, dass man mit dem BTRC zunächst die kritische Auseinandersetzung auf dem Weg des Dialogs gesucht hat ebenfalls. Wenn ein Dialog allerdings keine Früchte trägt und sich – im Gegenteil – die Situation sogar noch sukzessive verschlechtert, müssten den Worten konkrete Taten folgen. Öffentliche Kritik am BTRC und seiner unethischen, unjournalistischen Arbeitsweise wären längst angezeigt. Und ein Ausschluss aus der EBU sollte kein Tabu mehr sein.

In dem Vertrauen darauf, dass die ARD und auch Sie persönlich bereit sind, die demokratischen und auch journalistischen Grundwerte sowie die Einhaltung aller Grund- und Freiheitsrechte in Deutschland, Europa und darüber hinaus im Rahmen Ihrer Tätigkeit zu schützen und zu verteidigen, möchten wir an Sie appellieren, dies nun auch in diesem konkreten Fall zu tun und sich an die Seite derer zu stellen, die mit friedlichen Mitteln für ein demokratisches Belarus kämpfen. In diesem Zusammenhang möchten wir Sie um Informationen darüber bitten, wie bzw. ob sich die ARD in den Gremien der EBU zu der diesjährigen Teilnahme von Belarus am ESC und dem Verbleib von BTRC in der EBU positioniert.

Wir danken Ihnen im Voraus für eine zeitnahe Rückmeldung.
Mit freundlichen Grüßen,

Viola von Cramon-Taubadel, Die Grünen/EFA
Sabine Verheyen, EVP
Monika Hohlmeier, EVP
Jutta Paulus, Die Grünen/EFA
Michael Gahler, EVP
Martin Häusling, Die Grünen/EFA
Alexandra Geese, Die Grünen/EFA
Rasmus Andresen, Die Grünen/EFA
Niklas Nienaß, Die Grünen/EFA