Brief der Kommission zur Diskriminierung von queeren Personen in Ungarn

18. August 2021

E-003192/2021

Antwort von Thierry Breton

im Namen der Europäischen Kommission

Die Kommission prüft derzeit die Umsetzung und Durchführung der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste[1] (AVMD-Richtlinie) durch Ungarn, insbesondere im Lichte des Gesetzes über „strengere Maßnahmen gegen pädophile Straftäter und zur Änderung bestimmter Gesetze zum Schutz von Kindern“, das am 15. Juni 2021 von der ungarischen Nationalversammlung verabschiedet wurde. Mit diesem Gesetz werden Änderungen der ungarischen Rechtsvorschriften eingeführt, die sich unter anderem auf lineare Mediendienste, Video-Sharing-Plattformen und audiovisuelle kommerzielle Kommunikation auswirken. Jegliche Umsetzung und Durchführung der AVMD-Richtlinie muss mit dem EU-Recht, einschließlich der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und dem Vertrag über die Arbeitsweise der EU, im Einklang stehen.

Wie die Präsidentin der Kommission klargestellt hat[2], diskriminieren mehrere Bestimmungen dieses Gesetzes eindeutig Menschen aufgrund ihrer sexuellen Ausrichtung und verstoßen gegen die Grundwerte der Europäischen Union, nämlich Menschenwürde, Gleichheit und Wahrung der Menschenrechte. Die Kommission wird bei diesen Grundwerten keine Kompromisse eingehen. Am 15. Juli 2021 leitete die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn ein, da das Gesetz ihrer Ansicht nach gegen die EU-Verträge, das Sekundärrecht, insbesondere die AVMD-Richtlinie, sowie gegen die Charta der Grundrechte verstößt. Die feste Zusage der Kommission, die Ungleichheiten und Herausforderungen anzugehen, denen lesbische, schwule, bisexuelle, Transgender-, intersexuelle und queere Personen (LGBTIQ-Personen) in Europa ausgesetzt sind, ist in der LGBTIQ-Gleichstellungsstrategie 2020–2025[3] dargelegt. In diesem Zusammenhang wird die Kommission weiterhin eng mit den Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, um die Gleichstellung von LGBTIQ-Personen in der EU voranzubringen.

 

[1] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/de/ALL/?uri=CELEX:32018L1808

[2] https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/ov/SPEECH_21_3526

[3] (COM(2020) 698 final) https://ec.europa.eu/info/policies/justice-and-fundamental-rights/combatting-discrimination/lesbian-gay-bi-trans-and-intersex-equality/lgbtiq-equality-strategy-2020-2025_en

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Anfrage zur schriftlichen Beantwortung E-003192/2021 an die Kommission

Artikel 138 der Geschäftsordnung

Marc Angel (S&D), Terry Reintke (Verts/ALE), Maria Walsh (PPE), Malin Björk (The Left), Liesje Schreinemacher (Renew), Fabio Massimo Castaldo (NI), Gwendoline Delbos-Corfield (Verts/ALE), Cyrus Engerer (S&D), Petras Auštrevičius (Renew), Łukasz Kohut (S&D), Evelyne Gebhardt (S&D), Brando Benifei (S&D), Hilde Vautmans (Renew), Frédérique Ries (Renew), Tanja Fajon (S&D), Dietmar Köster (S&D), Monika Vana (Verts/ALE), Sandro Gozi (Renew), Rasmus Andresen (Verts/ALE), Daniel Freund (Verts/ALE), Birgit Sippel (S&D), Delara Burkhardt (S&D), Ernest Urtasun (Verts/ALE), Sándor Rónai (S&D), Attila Ara-Kovács (S&D), Thijs Reuten (S&D), Robert Biedroń (S&D), Manuel Bompard (The Left), Magdalena Adamowicz (PPE), Francisco Guerreiro (Verts/ALE), Pierre Karleskind (Renew), Aurore Lalucq (S&D), Sophia in ‚t Veld (Renew), Andreas Schieder (S&D), Kim Van Sparrentak (Verts/ALE), Alice Kuhnke (Verts/ALE), Radka Maxová (S&D), Irène Tolleret (Renew), Gabriele Bischoff (S&D), Evin Incir (S&D), Diana Riba i Giner (Verts/ALE)

Betrifft:        Zensur LGBTI-freundlicher Werbung im Rahmen der Regulierung durch die ungarische Medienbehörde

Am 2. März 2021 kündigte der ungarische Medienrat an, dass er infolge der Ausstrahlung der Kampagne „Familie ist Familie“[1] rechtliche Schritte gegen die Mediengruppe RTL Ungarn einleiten werde. Die RTL Group sieht sich nun mit Sanktionen aufgrund der Ausstrahlung LGBTI-freundlicher Inhalte konfrontiert.

In der LGBTIQ-Gleichstellungsstrategie[2] heißt es, dass die Kommission für eine ordnungsgemäße Umsetzung und strikte Anwendung der überarbeiteten AVMD-Richtlinie[3] sorgen werde. Im Rahmen des Aktionsplans für Demokratie[4] ist daran erinnert worden, dass die Frist für die Umsetzung der AVMD-Richtlinie am 19. September 2020 ablief und derzeit die Umsetzung geprüft wird. Im Aktionsplan „Europas Medien in der digitalen Dekade: Ein Aktionsplan zur Unterstützung der Erholung und des Wandels“[5] wurde daran erinnert, dass die Regulierungsbehörden im Medienbereich die Anwendung der AVMD-Richtlinie in angemessener Weise überwachen müssen.

Mit Schreiben vom 19. März 2021[6] erkundigten sich Mitglieder, welche Maßnahmen die Kommission gegen Ungarn in Erwägung ziehe. Das Ausbleiben einer Reaktion ist besonders besorgniserregend.

  1. Ist die Kommission der Auffassung, dass die Umsetzung der AVMD-Richtlinie in Ungarn mit dem EU-Recht im Einklang steht?
  2. Welche Maßnahmen wird sie ergreifen, um eine Zensur von Medieninhalten und Werbung, die im Einklang mit Artikel 9 der AVMD-Richtlinie stehen, unter Berücksichtigung der Artikel 11 und 21 der Charta der Grundrechte zu verhindern?
  3. Wird die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn einleiten?

[1]    https://telex.hu/belfold/2021/03/04/eljarast-inditott-a-mediatanacs-az-rtl-ellen-mert-leadtak-egy-szivarvanycsaladokrol-szolo-tarsadalmi-hirdetest

[2] https://ec.europa.eu/info/sites/default/files/lgbtiq_strategy_2020-2025_en.pdf

[3]    https://eur-lex.europa.eu/eli/dir/2018/1808/oj?locale=de

[4]    https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=COM%3A2020%3A790%3AFIN&qid=1607079662423

[5]    https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A52020DC0784

[6]    http://lgbti-ep.eu/2021/03/22/hungarian-media-regulation-authoritys-censorship-of-the-family-is-family-campaign-meps-write-to-the-commission/