EU-Gipfel: Grüne Einschätzung der wichtigsten Punkte

8. Februar 2023

Pressebriefing

Brüssel, 8. Februar 2023

 

Sehr geehrte Korrespondentinnen und Korrespondenten,

 

zum bevorstehenden EU-Gipfel senden wir Ihnen unsere kurze Analyse zu den aus unserer Sicht wichtigsten Punkten und freigegebene Zitate (kursiv) von Rasmus Andresen, Sprecher der deutschen Grünen im Europäischen Parlament.

 

  1. Grundsätzliches zum Gipfel

 

„Der EU-Gipfel dürfte durch den Besuch des ukrainischen Präsidenten Selenskyj  dominiert werden. Auch wenn nach dem Beschluss zur Lieferung der Leopard-Panzer und dem Beschluss zur makro-finanziellen Unterstützung der Ukraine, es auf dem Gipfel zu keinen großen Zusagen kommen dürfte, ist der Besuch in der Kommunikationsoffensive der Ukraine wichtig. Gegenüber der ukrainischen Bevölkerung ist das Signal wichtig, dass die Ukraine die volle Solidarität der EU genießt. In den europäischen Mitgliedsstaaten sind viele kriegsmüde. Selenskyj  kann durch seine Besuche im Europäischen Parlament und auf dem Gipfel eine stärkere Aufmerksamkeit und Unterstützung genieren.“

 

Rolle der Bundesregierung

„Nach dem Beschluss zur Lieferung der Leo-Panzer hat Bundeskanzler Scholz auf dem Gipfel die Chance, zerstörtes Vertrauen wieder aufzubauen. Es gibt keine Schonzeit. Kanzler Scholz muss in diesen Wochen zur europäischen Führungsperson reifen. Er wird der hohen Erwartungshaltung gegenüber der Bundesrepublik bisher nicht gerecht. Er muss vom Bremser zum Brückenbauer werden.“

 

  1. Russischer Angriffskrieg in der Ukraine

 

Das steht im Entwurf der Schlussfolgerungen

  • Ölpreisdeckel: “Um die Kosten für den russischen Angriffskrieg weiter zu erhöhen, wurde eine Preisobergrenze für Erdölprodukte beschlossen. Die Europäische Union ist bereit, ihre restriktiven Maßnahmen in enger Abstimmung und Zusammenarbeit mit den globalen Partnern weiter zu verstärken. Die Maßnahmen zur Bekämpfung von Umgehungen werden verstärkt.”
  • Zur Verfolgung von russischen Kriegsverbrechen: “Sie [die EU] unterstreicht die Unterstützung der Europäischen Union für die Ermittlungen des Anklägers des Internationalen Strafgerichtshofs sowie für die Einrichtung eines internationalen Zentrums zur Verfolgung des Verbrechens der Aggression gegen die Ukraine in Den Haag. Dieses Zentrum wird mit dem bestehenden gemeinsamen Ermittlungsteam, das von Eurojust unterstützt wird, verbunden sein.”
  • Zum EU-Beitritt der Ukraine: “Die Europäische Union freut sich darauf, eng mit der Ukraine zusammenzuarbeiten und sie in ihren Bemühungen zu unterstützen, alle Bedingungen vollständig zu erfüllen.”
  • Militärische Unterstützung: “Die Europäische Union hat eine siebte Tranche von 500 Mio. EUR an militärischer Unterstützung für die Ukraine im Rahmen der Europäischen Friedensfazilität gebilligt, womit sich die militärische Unterstützung durch die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten auf insgesamt fast 12 Mrd. EUR erhöht. In Anbetracht der derzeitigen Lage begrüßt der Europäische Rat die rasche Bereitstellung von militärischem Gerät für die Ukraine durch die Mitgliedstaaten.”
  • Verwendung russischer Vermögenswerte für den Wiederaufbau: “Die Europäische Union setzt sich gemeinsam mit ihren Partnern verstärkt dafür ein, dass die eingefrorenen und stillgelegten Vermögenswerte Russlands im Einklang mit dem EU-Recht und dem Völkerrecht zur Unterstützung des Wiederaufbaus der Ukraine und für Reparationszwecke verwendet werden.”

Zitat

“Der Weg der Ukraine in die Europäische Union ist noch weit. Der Ratsgipfel muss die Ebene der Grundsatzerklärungen verlassen und offen über die Herausforderungen auf dem Weg in die EU sprechen. Präsident Selenskyj muss glaubhaft machen, wie Reformschritte im Kampf gegen Korruption und zur Stärkung der Zivilgesellschaft aussehen können. Des Weiteren fordern wir die Mitgliedsstaaten dazu auf, Fortschritte bei der Umsetzung der Sanktionen zu machen. Wir Grüne können uns eine Ausweitung der Sanktionen vorstellen. Ein Ölpreisdeckel ist ein wichtiger Schritt. Allerdings muss ein größerer Fokus auf der Umsetzung der beschlossenen Sanktionen liegen. Wir brauchen eine kritische Bestandsaufnahme und eine stärkere europäische Koordinierung bei der Umsetzung der Sanktionen.”

 

  1. Wirtschaft/Wettbewerbsfähigkeit

 

Das steht im Entwurf der Schlussfolgerungen

  • Politik im Bereich der staatlichen Beihilfen: “Die Verfahren müssen einfacher, schneller und vorhersehbarer werden und eine gezielte, zeitlich begrenzte und verhältnismäßige Unterstützung in den Sektoren ermöglichen, die für den grünen Wandel von strategischer Bedeutung sind, auch durch Steuergutschriften.”
  • EU-Level Finanzierung: “Der Europäische Rat ersucht die Kommission und den Rat, dafür zu sorgen, dass die verfügbaren Mittel und die bestehenden Finanzinstrumente in vollem Umfang mobilisiert werden, damit in strategischen Sektoren rechtzeitig und gezielt Unterstützung geleistet werden kann.”
  • Investitionen: “Sowohl private als auch öffentliche Investitionen sind erforderlich, um Investitionslücken zu schließen, die das Wachstum untergraben. Der Europäische Rat nimmt zur Kenntnis, dass die Kommission beabsichtigt, vor dem Sommer 2023 einen Europäischen Souveränitätsfonds zur Unterstützung von Investitionen in strategischen Sektoren vorzuschlagen.”

Zitat

“Auf dem Ratsgipfel ist ein grundsätzlicher Austausch vorgesehen. Mit konkreten Ergebnissen ist erst beim nächsten Treffen der Staats- und Regierungschef*innen im März zu rechnen. Aufgrund der sehr unterschiedlichen politischen Positionen und ökonomischen Interessen wird es ohne eine größere Paketlösung keinen politischen Beschluss geben können. Zu einer Paketlösung gehören auch eine Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts und eine Aufstockung des mehrjährigen Finanzrahmens.

Bei den Beihilferegeln ist bisher völlig unklar, wie grüne Konditionalität erreicht werden kann. Wir fordern eine starke grüne Konditionalität statt weitreichender Industriesubventionen, die vor allem von großen Unternehmen für bussines-as-usal missbraucht werden können.” 

 

  1. Migration

 

Das steht im Entwurf der Schlussfolgerungen

  • Visapolitik: “Der Europäische Rat betont, dass die Überwachung der Visapolitik der Nachbarländer verstärkt werden sollte.” … “Der Europäische Rat ersucht die Kommission und den Rat, den in Artikel 25a des Visakodexes vorgesehenen Mechanismus in vollem Umfang zu nutzen, einschließlich der Möglichkeit, restriktive Visamaßnahmen in Bezug auf Drittländer einzuführen, die bei der Rückführung nicht kooperieren.”
  • Rückführungen: “Um die Rückführungsverfahren zu beschleunigen, fordert der Europäische Rat die Mitgliedstaaten außerdem auf, ihre Rückführungsentscheidungen gegenseitig anzuerkennen. Er fordert die Asylagentur auf, Leitlinien für die verstärkte Anwendung der Konzepte der sicheren Drittstaaten und der sicheren Herkunftsstaaten bereitzustellen.”
  • Grenzinfrastruktur: “… ruft der Europäische Rat dazu auf, EU-Mittel zu mobilisieren, um die Mitgliedstaaten bei der Verstärkung der Grenzkontrollkapazitäten und -infrastruktur, der Überwachungsmittel, einschließlich der Luftüberwachung, und der Ausrüstung zu unterstützen.”

Zitat

“Die Migrationspolitik rückt zu Recht wieder stärker auf die Agenda. Dass Konservative im Europäischen Parlament und im Europäischen Rat dies aber vor allem aus Machtkalkül betreiben, irritiert uns. Schließlich sind es konservative PolitikerInnen gewesen, die gemeinsame europäische Koordinierung und eine humanitäre Migrationspolitik bisher verhindert haben. Wir kritisieren, dass die Staats- und Regierungschef*innen in ihren Beschlüssen internationale Konventionen weitgehend ignorieren. Eine europäische Asyl- und Migrationspolitik kann durch Abschottung und den Bau von Grenzzäunen nicht gelöst werden. Die Fluchtursachen werden deshalb nicht verschwinden und eine faire Verteilung von Asylbewerber*innen organisiert sich nicht von selbst.”