EU-Kommission zu LGTBIQ*-Rechten in Ungarn

16. September 2021

DE

P-003274/2021

Antwort von Nicolas Schmit

im Namen der Europäischen Kommission

Die Kommission verfolgt die aktuellen Entwicklungen in Ungarn aufmerksam. Am 15. Juli 2021 übermittelte die Kommission Ungarn ein Aufforderungsschreiben, da das fragliche Gesetz ihrer Auffassung nach gegen eine Reihe von EU-Vorschriften verstößt. Ungarn hat nun zwei Monate Zeit, um auf dieses Schreiben zu reagieren, das der erste Schritt eines förmlichen Vertragsverletzungsverfahrens ist.

Gleichzeitig prüft die Kommission im Rahmen der allgemeinen Konditionalitätsregelung zum Schutz des Haushalts der Union die möglichen Auswirkungen der neuen Rechtsvorschriften auf den Einsatz von EU-Mitteln, unter anderem im Hinblick darauf, ob sie die wirtschaftliche Führung des Unionshaushalts oder den Schutz der finanziellen Interessen der Union hinreichend unmittelbar beeinträchtigen oder ernsthaft zu beeinträchtigen drohen.

Darüber hinaus sind die Mitgliedstaaten gemäß den zielübergreifenden grundlegenden Voraussetzungen, die in Anhang III der Dachverordnung[1] festgelegt sind, unter anderem verpflichtet, wirksame Vorkehrungen zu treffen, um die Einhaltung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sicherzustellen. Bei der Ausarbeitung eines Programms bewertet der Mitgliedstaat, ob die grundlegenden Voraussetzungen für das ausgewählte spezifische Ziel sowie alle entsprechenden Kriterien erfüllt sind. Stellt die Kommission während oder nach der Umsetzung fest, dass die grundlegenden Voraussetzungen der Charta nicht erfüllt sind, sollten damit verbundene Ausgaben von der Kommission nicht erstattet werden.

Vor diesem Hintergrund setzt sich die Kommission uneingeschränkt dafür ein, gegen alle Formen von Diskriminierung, einschließlich die Diskriminierung von LGBTIQ[2]-Personen in Europa, vorzugehen, um die Wahrung der Werte der Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit sowie der Grundrechte in der EU sicherzustellen. Die Kommission wird im Rahmen ihrer rechtlichen Befugnisse geeignete Maßnahmen ergreifen, um Verstöße gegen diese Werte zu ahnden.

[1] Verordnung (EU) 2021/1060 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Juni 2021 mit gemeinsamen Bestimmungen für den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds Plus, den Kohäsionsfonds, den Fonds für einen gerechten Übergang und den Europäischen Meeres-, Fischerei- und Aquakulturfonds sowie mit Haushaltsvorschriften für diese Fonds und für den Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds, den Fonds für die innere Sicherheit und das Instrument für finanzielle Hilfe im Bereich Grenzverwaltung und Visumpolitik (ABl. L 231, vom 30.6.2021, S. 159).

[2] Lesbische, schwule, bisexuelle, Transgender-, nichtbinäre, intersexuelle und queere Personen.

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Anfrage mit Vorrang zur schriftlichen Beantwortung P-003274/2021

an die Kommission

Artikel 138 der Geschäftsordnung

Monika Vana (Verts/ALE), Gwendoline Delbos-Corfield (Verts/ALE), Rasmus Andresen (Verts/ALE), Katrin Langensiepen (Verts/ALE), Grace O’Sullivan (Verts/ALE), Alexandra Geese (Verts/ALE), Niklas Nienaß (Verts/ALE), Sara Matthieu (Verts/ALE), Eleonora Evi (Verts/ALE), Thomas Waitz (Verts/ALE), Markéta Gregorová (Verts/ALE)

Betrifft:        Diskriminierung von LGBTI-Personen in Ungarn verstößt gegen die Grundsätze und Bestimmungen der Vorschriften über die Verwendung von EU-Mitteln

Am 15. Juni 2021 nahm das ungarische Parlament eine Reihe von Gesetzesänderungen an, mit denen LGBTI-Personen unmittelbar diskriminiert werden. Mit den Änderungen wird ein Verbot von Aufklärung über LGBTI-Personen in der Schule, von entsprechenden Bildungsmaterialien und Büchern sowie ein Verbot von Werbung und sonstigen Inhaltsträgern eingeführt, womit nach Ansicht der Regierung die Rechte von LGBTI-Personen gefördert werden. Diese Änderungen stellen Verstöße gegen die Grundsätze der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden „Charta“) dar.

Im Rahmen der Vorschriften über die Verwendung von EU-Mitteln gemäß der Verordnung mit gemeinsamen Bestimmungen für den Zeitraum 2021–2027, die am 24. Juni 2021 angenommen werden soll, müssen grundlegende Voraussetzungen erfüllt sein, um Fördermittel der Kohäsionspolitik erhalten zu können. Eines der Kriterien, die die Mitgliedstaaten erfüllen müssen, ist die Einrichtung wirksamer Mechanismen zur Gewährleistung der Einhaltung der Charta bei der Verwaltung von Förderprogrammen.

  1. Ist die Kommission nicht auch der Auffassung, dass die genannten Änderungen Verstöße gegen die Charta darstellen sich auf die Verwaltung von EU-Mitteln auswirken werden?
  2. Welchen Standpunkt vertritt sie in Bezug auf die Annahme der Änderungen im Zusammenhang mit der genannten grundlegenden Voraussetzung der Wahrung der Grundrechte?
  3. Wird die Kommission Ungarn Zahlungen im Rahmen der Kohäsionspolitik verweigern, solange diese Änderungen in Kraft sind?