Lasst uns viele sein!

4. Dezember 2016

Gemeinsam für Demokratie, Freiheit und Vielfalt
von Claudia Roth und Rasmus Andresen
Die Wahl eines Mannes ins wohl mächtigste Amt der Welt, der im Wahlkampf schlimmste rassistische und sexistische Ressentiments bediente, die Angst vor einem Bruch der Europäischen Union nach dem Brexit, das offene Zeigen von Hass und Ablehnung gegenüber Minderheiten prägen die politische Debatte und die Stimmung auch bei uns. Wir leben in Zeiten der Verunsicherung und der Unsicherheiten. Dabei haben wir die Grundlagen für ein friedliches Zusammenleben längst erkämpft: Es sind Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat, die Achtung von Menschenwürde, Pluralität und gleiche Teilhabechancen. All das müssen wir verteidigen, und es dort verbessern, wo wir noch nicht zufrieden sein können. Der Kampf für Freiheit, Demokratie und Vielfalt, er findet direkt bei uns vor unserer Haustür statt
Als Tor zu Skandinavien erleben die Menschen in Schleswig-Holstein die Veränderungen hautnah. Sie profitieren von der Freizügigkeit und von grenzüberschreitenden Projekten ökonomisch und kulturell, aber mit Blick auf unser Nachbarland Dänemark können sie gleichzeitig beobachten, wie eine liberale Demokratie Stück für Stück in Richtung Abschottung abdriftet. Aus dieser Erfahrung sollten wir lernen und uns früh genug und konsequent gegen ähnliche Tendenzen auch bei uns stellen
Das große Engagement für Geflüchtete und für Menschen in Not in unserem Land zeigt, dass unsere Gesellschaft auf einem starken Fundament aus Solidarität, Humanität und Weltoffenheit steht. Es sind Grundwerte, die unsere Gesellschaft zusammen halten. Doch statt für diese Grundwerte kompromisslos und leidenschaftlich einzutreten und die Menschen zu ermutigen, laufen manche in der Politik lieber den Rechtspopulisten hinterher und entmutigen und verunsichern die Menschen. Doch das stärkt nur die Falschen, diejenigen, die nicht auf Zusammenhalt, sondern auf das Recht des Stärkeren setzen
Bei der Landtagswahl am 7. Mai hier in Schleswig-Holstein und der danach folgenden Bundestagswahl kommt es deshalb darauf an, die Menschen für die Idee der Freiheit und des Zusammenhalts zu gewinnen. Dafür braucht es eine Bewegung der Demokraten, die für Freiheit und Vielfalt steht. Wir wollen Bündnisse schmieden und uns gegenseitig stärken. Kirchen, Gewerkschaften, Migrantenverbände, Organisationen von Lesben und Schwulen, Sport- und Kulturvereine, Elterninitiativen: Wir alle, die wir unsere offene Gesellschaft erhalten und stärken wollen, müssen miteinander ins Gespräch kommen. Trotz aller programmatischen Unterschiede müssen wir das gemeinsame Interesse an Demokratie und Rechtsstaat in den Mittelpunkt stellen.
Rechtspopulisten legen mit ihrer Politik die Axt an unsere gesamte Demokratie. Wir kennen diese Dynamik: Zunächst wird gegen Sinti und Roma, gegen Muslime, gegen Juden und gegen Geflüchtete gehetzt, dann gegen Homo- und Transsexuelle. Danach geht’s an die Rechte von Arbeitnehmerinnen. Am Schluss bliebe von unserer Demokratie und unserer Freiheit für niemanden etwas übrig
Statt sich von Rechtspopulisten gegeneinander ausspielen zu lassen, ist es deshalb nun an der Zeit, sich einzuhaken und gemeinsam für Demokratie und Vielfalt einzutreten. Politik muss den Mut haben, für die eigenen Überzeugungen einzustehen, offen für neue Ideen zu sein und sich gleichzeitig aus der eigenen Komfortzone zu wagen. Vom Sofa aus die Welt über social media zu kommentieren, das reicht nicht mehr aus. Wir Grüne wollen der demokratisch und freiheitlich orientierten Mehrheit eine Stimme geben. Unser Ziel ist eine Bewegung für Demokratie, Freiheit und Vielfalt.
Eine Bewegung, die Menschen motiviert, dabei zu sein und sich einzumischen, auch wenn sie keine Lust haben, gleich Mitglied in einer Partei zu werden. Wir wollen Menschen für die Werte unserer Verfassung begeistern und sie ermutigen, gegen Populisten sachlich zu argumentieren und Widersprüche zu diskutieren.
Wir stehen in der Pflicht, Haltung zu zeigen und Orientierung zu geben. Dazu gehört auch, zu erklären, warum von einer demokratischeren und offenen Gesellschaft alle profitieren können. Dazu gehört auch, den sozialen Zusammenhalt zu stärken. Eine Lobby für die Menschenwürde zu sein heißt, Minderheiten zu ermutigen und zu unterstützen und sie nicht gegeneinander auszuspielen. Das gilt für homosexuelle Jugendliche, die in der Schule gedemütigt werden genauso wie für Geflüchtete, die Schwierigkeiten haben, eine Wohnung zu finden, oder für Erwerbslose, die vom Jobcenter durch Sanktionen gegängelt werden. Wir brauchen deshalb Bündnisse über die unterschiedlichen Bereiche unserer Gesellschaft hinweg. Wir brauchen neue Bündnisse, um unsere Demokratie zu schützen.