Offener Brief: Gegen die Zwangsräumung der Sozialklinik Helliniko in Athen!

14. Juni 2018

Zuerst gepostet auf: http://solidarityeurope.blogsport.eu/
Gegen die Zwangsräumung der Sozialklinik Helliniko in Athen!
Für ein Ende der lebensbedrohlichen Sparmaßnahmen gegenüber Griechenland!
Die andauernde griechische Staatsschuldenkrise und die europäische Krisenpolitik haben zu dramatischen Einschnitten in der Gesundheitsversorgung des Landes geführt. Die Folgen sind für weite Teile der Bevölkerung bedrohlich und sogar lebensgefährlich. Seit Beginn der Krise haben Herz- und Krebserkrankungen, psychische Erkrankungen und die Kindersterblichkeit stark zugenommen, die durchschnittliche Lebenserwartung ist gesunken. Die Medizintechnik in den staatlichen Krankenhäusern ist veraltet, häufig fehlt es sogar an einfachsten Instrumenten wie Ultraschallgeräten. Dazu kommt, dass in den letzten Jahren insgesamt 20.000 Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegerinnen und Pfleger das Land verlassen haben. Nur durch die zahlreichen ehrenamtlich betriebenen Arztpraxen, Polikliniken und solidarischen Apotheken im ganzen Land wurde ein Mindeststandard in der Gesundheitsversorgung auch für die Millionen vom Gesundheitswesen Ausgeschlossenen gewährleistet. Daran hat sich mit einer Gesetzesnovelle im Jahr 2016 einiges geändert, aber auch wenn es der jetzigen Regierung gelungen ist, den Zugang zum öffentlichen Gesundheitswesen für die Bevölkerung wieder zu gewährleisten, gibt es immer noch massive Probleme. Bis in die Mittelschichten hinein können sich viele Menschen die Zuzahlung bei Medikamenten nicht mehr leisten und sind immer noch auf Sozialkliniken angewiesen, in denen sie kostenlos die für sie teils lebensnotwendige Medikation erhalten.
Die größte und wahrscheinlich bekannteste Sozialklinik, die Metropolitan Community Clinic Helliniko in Athen, steht aktuell vor dem Aus, weil das einst städtische Areal im Zuge der Sparauflagen an ein Konsortium von griechischen und ausländischen Investoren verkauft werden musste. Auf dem Gelände des ehemaligen Athener Flughafens soll ein Komplex aus Luxusappartements und Yachthafen entstehen, der gesamte Küstenabschnitt wird zur „griechischen Riviera“ umgebaut und privatisiert.
Seit Dezember 2011 wurden in der Sozialklinik Helliniko über 64.000 Menschen untersucht und 7.366 Patientinnen und Patienten kostenlos behandelt. Neben der kostenlosen Medikamentenausgabe liegt ihr Schwerpunkt derzeit auf Vorsorgeuntersuchungen. Darüber hinaus unterstützt sie auch regelmäßig kommunale Krankenhäuser mit medizinischem Material sowie technischen Geräten.
Die Klinik wird komplett durch Sachspenden getragen. Hunderte Menschen, vom ärztlichen bis zum Pflegepersonal, arbeiten hier ehrenamtlich und in den meisten Fällen neben ihrer normalen Beschäftigung. Manche von ihnen machen in diesem Sinne zwei Vollzeit-Jobs.
Somit leistet die Sozialklinik Helliniko seit Jahren überlebenswichtige Arbeit für viele Menschen in Athen. Deshalb darf die für den 30. Juni 2018 angesetzte Zwangsräumung nicht zugelassen werden. Die griechische Regierung, die Institutionen in Brüssel und das Investorenkonsortium sollen wissen, dass nicht nur in Athen die Menschen protestieren und sich der Räumung widersetzen werden, sondern auch in Deutschland und ganz Europa viele Menschen solidarisch mit der Klinik Helliniko sind.
Forderungen:

  • Mit diesem Offenen Brief unterstützen wir deshalb die Forderung der Klinik Helliniko nach angemessenen Räumlichkeiten, die kostenlos und selbstverwaltet genutzt werden können.
  • Wir protestieren gegen die geplante Zwangsräumung, solange keine Alternative geschaffen wurde.
  • Wir fordern außerdem, ab sofort keine weiteren Einsparungen in lebenserhaltenden und gesundheitsgewährleistenden Bereichen vorzunehmen. Mittelfristig fordern wir die Einstellung der Sparauflagen, die in Griechenland bereits jetzt jahrzehntealte Infrastrukturen und die Zukunft ganzer Generationen zerstört haben.
  • Für ein Ende der zerstörerischen und lebensbedrohlichen Austeritätspolitik und ein solidarisches Europa.
  • Gesundheit ist ein Menschenrecht!

 
Erstunterzeichnende (in alphabetischer Reihenfolge):
Rasmus Andresen (Vizepräsident des Schleswig-Holsteinischen Landtages, Bündnis 90/ Die Grünen)
Ärzte der Welt e.V. (München)
Dr. Holger Gerhard Bau (Vorstand Berliner Forum Griechenlandhilfe)
Prof. Dr. Bernd Belina (Institut für Humangeographie, Goethe-Universität Frankfurt am Main)
borderline-europe Menschenrechte ohne Grenzen e.V. (Berlin)
Mirko Broll (Institut für Soziologie, LMU München)
Prof. Dr. Hauke Brunkhorst (Institut für Gesellschaftswissenschaften und Theologie, Europa-Universität Flensburg)
Reinhard Bütikofer (Vorsitzender der Europäischen Grünen und Mitglied des Europäischen Parlaments)
Pavlos Delkos (Sozialforum Eurokrise, München)
Prof. Dr. Andrea Marlen Esser (Institut für Philosophie, Universität Jena)
Forum Eurokrise München
Wassilia Fotiadou (Vorstand Berliner Forum Griechenlandhilfe)
Dr. Günter Froeschl (Chairman Center for International Health, LMU München)
Constantinos Gianacacos (Evangelisches Migrationszentrum/Griechisches Haus, München)
Sven Giegold (MdEP, Bündnis 90/ Die Grünen)
Nicole Gohlke (MdB, Die Linke)
Saskia Gränitz (Institut für Soziologie, LMU München)
Thomas Händel (Vorsitzender des Ausschusses für Beschäftigung und Soziales des Europäischen Parlaments; MdEP, Die Linke)
Kathrin Hartmann (Journalistin und Autorin)
Prof. Dr. Sabine Hess (Sprecherin des Netzwerks für Globale Migrationsforschung, Universität Göttingen)
Prof. Dr. Ulf Kadritzke (Fachbereich Wirtschaftswissenschaften, Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin)
Dr. Holger Knothe (Institut für Soziologie, LMU München)
Kathy Kursawe (DFG-Kollegforscher_innengruppe „Postwachstumsgesellschaften“, Jena)
Dr. Jutta Lauth Bacas (Sozialanthropologin, Athen und Köln)
Rosa Lehmann (Institut für Soziologie, Universität Jena)
Prof. Dr. Stephan Lessenich (Institut für Soziologie, LMU München)
Dr. Ramona Lenz (medico international e.V., Frankfurt am Main)
Steffen Liebig (DFG-Kollegforscher_innengruppe „Postwachstumsgesellschaften“, Jena)
PD Dr. Daniel Loick (Max-Weber-Kolleg Erfurt, Goethe-Universität Frankfurt am Main)
Prof. Dr. Georg Marckmann (Institut für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin, LMU München)
Erik Marquardt (Fotojournalist und Mitglied des Bundesparteirates von Bündnis 90/ Die Grünen)
medico international (Frankfurt am Main)
Netzwerk Kritische Migrations- und Grenzregimeforschung
Prof. Dr. Peter Ostendorf (Praxis ohne Grenzen, Hamburg)
Simone Peter (Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energien; Bündnis 90/ Die Grünen)
Prof. Dr. Marianne Pieper (Institut für Soziologie, Universität Hamburg)
Poliklinik Veddel (Hamburg)
Prof. Dr. Katja Radon (Chairwoman Center for International Health, LMU München)
Prof. Dr. Michael Reder (Hochschule für Philosophie, München)
Prof. Dr. Rolf Rosenbrock (Vorsitzender des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes – Gesamtverband e.V)
Dr. Thomas Sablowski (Institut für Gesellschaftsanalyse, Rosa Luxemburg Stiftung, Berlin)
Jamila Schäfer (stllv. Parteivorsitzende und europäische und internationale Koordinatorin von Bündnis 90/ Die Grünen)
Prof. em. Dr. Dorothea Schmidt (Wien)
Prof. Dr. Tatjana Schönwälder-Kuntze (Fakultät für Philosophie, Wissenschaftstheorie und Religionswissenschaft, LMU München)
Prof. Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz (Vizepräsident der Goethe-Universität Frankfurt am Main)
Dr. Bernd Sommer (Norbert Elias Center for Transformation Design & Research, Europa-Universität Flensburg)
Sozialforum München
Prof. Dr. Annette Spellerberg (Fachbereich Raum- und Umweltplanung, TU Kaiserslautern)
Prof. Dr. Susanne Spindler (Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften, Hochschule Düsseldorf)
Claudia Stamm (MdL, mut-Partei)
Prof. Dr. Hella von Unger (Institut für Soziologie, LMU München)
Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte e.V. (Maintal)
Prof. Dr. Klaus Weber-Teuber (Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften, Hochschule München)
Dr. Tobias Weinmann (Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, LMU München)
Prof. Dr. Markus Wissen (Fachbereich Wirtschaftswissenschaften, Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin)
Prof. Dr. Heinz-Jochen Zenker (Vorstandsvorsitzender von Ärzte der Welt e.V.)