Hintergrund: Grüne fordern Übergewinnsteuer – die EU Kommission muss für die Umsetzung sorgen
Fenja / Büro Rasmus
Warum die Übergewinnsteuer überfällig ist und wie sie gestaltet werden könnte
Der Sprecher der deutschen Grünen im Europaparlament und Mitglied im Wirtschafts- und Währungsausschuss des europäischen Parlaments, Rasmus Andresen, spricht sich für die rasche Einführung einer Übergewinnsteuer aus.
„Es ist gut, dass die EU Kommission mit eigenen Konzepten mehr Druck auf die Mitgliedstaaten ausüben will. Krisengewinner sollten sich fair beteiligen. Die Übergewinne sollten an Menschen mit wenig Einkommen umverteilt werden. Wir fordern die EU-Kommission auf, einen konkreten Gesetzesvorschlag vorzulegen.
Wir sehen, wie einige EU-Mitgliedstaaten schon Übergewinnsteuern eingeführt haben. Gerade hat auch die belgische Regierung einen konkreten Vorschlag vorgelegt, wohlgemerkt von einem liberalen Premierminister. Es ist höchste Zeit, dass eine solche Steuer auch in Deutschland und allen anderen EU-Staaten kommt.
Bundesfinanzminister Lindner muss endlich seine Blockadehaltung aufgeben und erkennen, dass er sich in einer solchen Krise bewegen muss. Das Steuerrecht hat Gestaltungs- und Lenkungswirkung mit Möglichkeiten, eine solche Steuer zu erheben, ohne gegen den Gleichheitsgrundsatz zu verstoßen. Dieser Spielraum muss nun endlich so genutzt werden, so dass die Bürger*innen entlastet und Krisenprofiteure belangt werden.
Außerdem kann ein Teil der Einnahmen für den Umbau unserer Wirtschaft auf erneuerbare Energien verwendet werden. Je schneller wir unabhängig von fossilen Energieimporten werden, desto besser. Warum nicht das Geld dafür holen, wo es gerade ist? Übergewinne abzugreifen und zukunftsorientiert zu nutzen, hätte keine negativen, sondern nur positive Effekte.
Wir Grüne im Europäischen Parlament fordern eine Übergewinnsteuer gemessen am Durschnittsunternehmensgewinn der letzten 5 Jahre. Mit einem Steuersatz von 50% plus 25%, die für Investitionen in erneuerbare Energien wieder gutgeschrieben werden.
Beim informellen ECOFIN Ende nächster Woche, sollten sich die EU-Finanzminister*innen auf Eckpunkte für eine solche Übergewinnsteuer einigen – und sie dann zu Hause zügig einführen.
Die Einnahmen aus der Übergewinnsteuer müssen den Menschen in Europa zugutekommen und für soziale Entlastungen eingesetzt werden. So kommt Europa besser durch den Winter – und die gesamte Krise. Es ist kaum noch jemanden zu vermitteln, dass zum Beispiel große Energiekonzerne exorbitante Gewinne machen, während sich Millionen von Europäer*innen fragen, wie sie durch den Winter kommen sollen. ”
Hintergrundinformationen:
- Plant die EU Kommission eine europäische Übergewinnsteuer?
Durch ein Leak ist bekannt geworden, dass die EU-Kommission plant, den Mitgliedstaaten vorzuschlagen, Übergewinne durch eine Abgabe zu belegen. Die Differenz zwischen Erzeugungs- und Verkaufskosten kann mit einem prozentualen Steuersatz belegt werden. Mit den Einnahmen sollen nach Vorstellung der EU-Kommission soziale Entlastungsmaßnahmen finanziert werden.
Zum jetzigen Zeitpunkt ist die konkrete Ausgestaltung, wie zum Beispiel die Frage, wie verbindlich die Abgabe werden soll, unklar. Die EU-Kommission beruft sich auf Art. 122 der EU-Verträge und erwägt optionale wie verpflichtende gesetzliche Regulierung als mögliche Optionen.
- Zur Situation in anderen Ländern:
Außer Spanien haben zum Beispiel auch Italien, Griechenland und Großbritannien Übergewinnsteuern eingeführt – alle mit unterschiedlichen Ansatzpunkten, Bemessungsgrundlagen sowie Steuersätzen.
Spanien hat eine Übergewinnsteuer für Finanz- und Energieunternehmen beschlossen, die rund 7 Mrd EUR einbringen soll. Jetzt will die spanische Regierung noch eine weitere Abgabe auf Energieunternehmen einführen für die Steuerjahre 2022 und 2023. Das soll jährlich schätzungsweise 2 Mrd EUR bringen. Betroffen sind voraussichtlich Unternehmen mit einem Jahresumsatz von über 1 Mird Euro, wie DefIberdrola, Endesa, Naturgy, Repsol und Cepsa.
Italien besteuert umsatzbasierte Gewinne im Jahr 2022 einmalig mit 25%. Das gilt für Strom, Gas und Mineralöl. Es scheint so, als ob sich einige Energieunternehmen in Italien darum drücken, diese Steuern zu zahlen. Dieser Streit dauert an. Italien hatte sich ca. 10 Milliarden Mehreinnahmen durch die Steuer erhofft.
Griechenland besteuert reine Übergewinne von Stromerzeugern einmalig im Jahr 2022 mit 90% Es werden unerwartete Gewinne, die zwischen Oktober 2021 und März 2022 angefallen sind, besteuert. Griechenland erwartete bei Einführung der Steuer 400 Mio. Euro Mehreinnahmen.
Großbritannien besteuert den Gesamtgewinn von Öl- Gaskonzernen jährlich bis Ende 2025 mit 25%. Und verspricht sich damit knapp 6 Mrd. Euro Mehreinnahmen.
Belgiens Premierminister hat nun auch Pläne vorgestellt, Energieproduzenten mit einer Übergewinnsteuer zu belegen. Zunächst wären davon Atomkrafterzeuger betroffen. Es wird aber nun untersucht, ob sich das auch auf die Erzeuger anderer Energieformen ausweiten lässt.
- Zur Situation in Deutschland:
In Deutschland sind mehrere Möglichkeiten im Gespräch darüber, wie man eine Übergewinnsteuer im Steuerrecht unterbringen könnte. Zum Beispiel über eine Sonderabgabe, eine Ertragssteueränderung oder eine Ergänzungsabgabe (Art. 106 Abs 1 Nr. 6 GG). Die ERgänzungsabgabe böte folgende Vorteile:
- die Einnahmen müssen einem speziellen, damit zusammenhängenden Zweck dienen
- Sie wäre branchenunabhängig
- Sie könnte auf Krisen angewendet werden
- Man kann aber Kriterien für die Krise definieren; zum Beispiel dass sie für oligopolistische Strukturen gilt oder, immens steigende Gewinne betrifft, die ohne große Veränderung der Nachfrage entstanden sind
Das Steuerrecht bietet also die Möglichkeit, so etwas wie eine Übergewinnsteuer einzuführen. Gerade in einer massiven Krisensituation, wie wir sie gerade erleben, sollte das Finanzministerium alle Register ziehen, um für sozialen Ausgleich zu sorgen. Jetzt an liberaler Ideologie festzuhalten schadet dem sozialen Zusammenhalt und der Demokratie.
Außerdem arbeitet das BMWK an einer Änderung des Kartellrechts, um die Hürden für eine Gewinnabschöpfung zu senken.
- Übergewinne und Inflation:
Die Unternehmensgewinne haben schon 2021 maßgeblich zum Anstieg der Inflation in der Eurozone beigetragen. Der Beitrag der Löhne war gedämpft, wie diese Analyse des BIP-Deflators zeigt. Diese Entwicklung wird nun durch die exorbitanten Gewinne der Unternehmen, die von der Krise profitieren, weiter getrieben.