06. Oktober 2017

Grußwort als Landtagsvizepräsident anlässlich der Veranstaltung „Afrikatage-Kiel 2017“ an der Christian-Albrecht-Universität zu Kiel

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07.10.2017 Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrter Herr Vorstandsvorsitzender von Bündnis Eine Welt, Volker Leptien!

Sehr geehrte Frau Duitsmann,

Sehr geehrte Damen und Herren Vertreterinnen und Vertreter von Bildungsträgern und gemeinnützigen Vereine und Initiativen!

Sehr geehrte Damen und Herren Aussteller!

Ein besonderes Willkommen gilt all den Gästen, die aus anderen Regionen zu uns nach Kiel gekommen sind, um heute und morgen hier zu sein!

Sehr geehrte Besucherinnen und Besucher!

Es gibt Veranstaltungen, die im Laufe der Jahre an Interesse einbüßen und immer weniger Besucher anlocken, bis der Veranstalter sie irgendwann gänzlich einstellt. Die Afrika-Tage gehören glücklicherweise nicht dazu. Das Gegenteil ist der Fall.

Dass sich der ursprüngliche Afrika-Tag mittlerweile auf zwei Tage erstreckt, zeigt, wie groß das Interesse am Thema Afrika und am Veranstaltungsformat ist.

Fachvorträge, Workshops und Diskussionen, eine Austausch- und Praktikumsbörse sowie Trommel- und Tanzworkshops – so bunt und vielfältig ist das Angebot der Afrika-Tage.

Was Sie hier, Ehrenamt und Hauptamt gemeinsam, auf die Beine gestellt haben, ist beachtlich und verdient besondere Anerkennung!

Und darum bin ich heute ausgesprochen gern zu Ihnen gekommen.

In Zeiten in denen Nationalismus und Vorurteile salonfähig werden, zeigen Sie wie bereichernd kulturelle Vielfalt sein kann.

Miteinander aktiv werden, statt übereinander zu reden.

Würde es die Afrika Tage nicht geben, müsste man Sie genau jetzt erfinden.

Die politische und gesellschaftliche Entwicklung in vielen afrikanischen Staaten darf uns nicht egal sein.

Im Gegenteil unser politisches Handeln und persönliches Konsumverhalten hat direkte Konsequenzen für viele Menschen in afrikanischen Staaten.

Es gibt kein „ die in Afrika“ und „wir in Europa“, es gibt nur eine gemeinsame Welt.

Wie ernst die Lage ist, hat der im vergangenen Jahr veröffentlichte Welthungerindex der Welthungerhilfe gezeigt.

Während der Schweregrad in allen Ländern Südamerikas beispielweise als niedrig bis mäßig eingestuft wird, sind es in Gesamtafrika nur acht, die in diese Kategorie fallen; in den restlichen afrikanischen Staaten ist die Lage ernst bis sehr ernst.

Erst vor wenigen Wochen war in vielen Tageszeitungen zu lesen: „Die Zahl der Hungernden wächst“.

Nachdem die Zahl der Menschen, die unter Hunger leiden, im vorangegangenen Jahrzehnt abgenommen hatte, ist sie im vergangenen Jahr erstmalig wieder gestiegen.

11 Prozent der Weltbevölkerung war im Jahr 2016 chronisch unterernährt. Das sind 815 Millionen Menschen, die nicht ausreichend Zugang zu Nahrung haben und deren Leben durch Hunger geprägt ist. Das sind 38 Millionen Hungernde mehr als noch ein Jahr zuvor. Das ist eine besorgniserregende Entwicklung.

232 Millionen Menschen auf dem afrikanischen Kontinent leiden unter Hungersnot.

Auf die Gesamteinwohnerzahl des Kontinents runtergebrochen, bedeutet das: Jede fünfte Afrikanerin und jeder fünfte Afrikaner hungert.
Gerade im subsaharischen Afrika hat sich die Situation verschlimmert. In Ländern, die von Wetterkatastrophen heimgesucht wurden, ist der Hunger am größten.
In den letzten beiden Jahren litt die Region unter gravierenden Ernteausfällen aufgrund von Dürre und Überschwemmungen. Das Wetterphänomen „El Niño“ hat die Subsahara in eine schwere landwirtschaftliche Krise gestützt. Seit den Wetteraufzeichnungen 1930 hatte es nie eine so schwere Dürre gegeben wie in den Jahren 2015 und 2016. Allein die Maisernte brach 2015 um 24 Prozent auf nur noch 7,5 Millionen Tonnen ein.
Auch wenn sich die Subsahara mittlerweile von den Folgen der Wetterextreme erholt, bleibt die Bekämpfung der Dürre und Wüstenbildung eine Daueraufgabe.
Dies ist eine direkte Folge des Klimawandels, für den wir in den großen westlichen Industrienationen verantwortlich sind und auf den wir bisher nur unzureichend Antworten entwickeln.
Aber auch der Einbruch der Rohstoffpreise hat viele Länder der Subsahara zusätzlich in eine schwere Krise gestützt. Länder wie Angola oder Nigeria leiden massiv unter dem Verfall des Ölpreises. Infolge des Preisverfalls erreichte das Wirtschaftswachstum der Subsahara mit 1,4 Prozent im vergangenen Jahr den niedrigsten Wert seit 20 Jahren.
Das ist eine direkte Folge des Klimawandels, für den auch wir als reiche Industrienation Verantwortung tragen.
Die Art und Weise wie wir leben, produzieren und konsumieren hat enorme Folgen für viele Menschen in Afrika.
Neben Wetterkatastrophen und Wirtschaftskrisen lassen auch gewaltsame Konflikte Hunger und Armut steigen.
Wir erleben gerade, dass religiöse Konflikte auf dem Vormarsch sind. Acht von zehn aktiven bewaffneten Konflikten in den afrikanischen Staaten der Subsahara haben haben eine religiöse Dimension, auch geschürt unter anderem durch radikale Gruppen, die in Nordafrika aktiv sind.
Seit mehr als acht Jahren versetzt die Terrormiliz Boko Haram den Nordosten Nigerias in Angst und Schrecken. Millionen Menschen sind auf der Flucht. Auch wenn die nigerianische Arme große Teile der Region mittlerweile zurückerobert hat, liegen viele Felder brach. Die UN befürchtet eine humanitäre Katastrophe: 6,5 Millionen Menschen brauchen derzeit akut lebensrettende Unterstützung.
Auch im Kongo in der dortigen Provinz Kasai-Central im südlichen Zentrum des Landes bleibt die Situation dramatisch: Im dritten Jahr in Folge sind hier Felder unbestellt, können viele Menschen nicht ernährt werden. Vor allem Kinder leiden unter dem Hunger.
Weltweit waren noch nie so viele Menschen auf der Flucht wie heute.
Laut einer Studie von „Ärzte ohne Grenzen“ bildeten Flüchtlinge aus Eritrea die größte Gruppe unter den Menschen, die das Mittelmeer überquerten. 81,6 Prozent aller Eritreer, die in Deutschland Asyl beantragt haben, haben im 2. Quartal dieses Jahres einen Schutzstatus erhalten, um in Deutschland zu bleiben, solange sich die Situation in ihrer Heimat nicht verbessert.
Die Bekämpfung der Ursachen von Flucht und Vertreibung ist eine zentrale Aufgabe, der sich die internationale Staatengemeinschaft stellen muss.
In der Agenda 2030 haben sich die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen vor zwei Jahren auf 17 ambitionierte Nachhaltigkeitsziele mit 169 konkreten Zielvorgaben verständigt, um das Leben der Menschen überall auf der Welt zu verbessern.
Nicht ohne Grund steht dabei an erster Stelle das Ziel „Armut beenden“ und an zweiter „Ernährung sichern – den Hunger beenden“.
Der Kampf gegen Hunger und Armut ist die größte Herausforderung, vor der wir weltweit stehen.

Die Gefahr besteht, dass bis zum Jahr 2050 zusätzlich 20 Prozent mehr Kinder an Hunger und Mangelernährung leiden, als es heute der Fall ist. Fast die Hälfte von ihnen lebt in der afrikanischen Sub-Sahara.

Global denken – lokal handeln.

Dieses Motto muss auch für die Partnerschaft zwischen Europa und Afrika gelten.

Es liegt auch an uns gemeinsame Perspektiven zu entwickeln um den Klimawandel einzudämmen, Armut zu bekämpfen und allen Menschen ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen.

Dies fängt mit kulturellem Austausch an und endet grundsätzlichen Änderungen in unserer Handelspolitik oder einem Verbot von Rüstungsexporten.

Wir brauchen eine Partnerschaft auf Augenhöhe, eine die mit Leben gefüllt wird.

Dafür bieten die Afrika Tage einen guten Anlass.

Sie geben Hoffnung.

Politik kann nicht alleine eine solche Partnerschaft zum Erfolg führen.

Politik braucht dafür die verschiedenen Akteure der Zivilgesellschaft.

Darum ist es immens wichtig,

  • dass Sie sich heute und morgen mit der zentralen Frage auseinandersetzen, wie wir die Partnerschaft mit Afrika ausbauen können und helfen, das Wachstum anzukurbeln und ihre Ideen danach an die Politik vermitteln;

  • und dass Sie mit den hier anwesenden Gästen aus Afrika die eigenen Kontakte vertiefen und so vielleicht den Weg bereiten für noch mehr Zusammenarbeit zwischen unseren Kontinenten.

Denn eines ist auch klar:

Es gibt nur die eine Welt.

Sie ist unsere gemeinsame.

Ich wünsche Ihnen spannende und bereichernde Diskussionen.

Ein intensiver Austausch ist schließlich der erste Schritt, um etwas bewirken zu können.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.