28. Februar 2025

Die Kamala Harris Falle - 4 Punkte zum Neustart der Grünen

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Die Kamala Harris Falle – Neustart der Grünen – Analyse
28. Februar 2025

Die Bundestagswahl war ein großer Einschnitt. Während wir als Partei (durch enorme Mitgliederzuwächse) und Robert als Kandidat (persönliche Beliebtheit, volle Hallen) Zuspruch erhalten haben, war das Bundestagswahlergebnis ernüchternd. Statt die Merkel-Lücke zu schließen, tappten wir in die Kamala-Harris-Falle – gefangen in der eigenen Euphorie. Die Partei war mobilisiert, aber der politischen Erwartungshaltung an uns sind wir nicht gerecht geworden. Meine Beobachtungen beziehen sich nicht ausschließlich auf drei Monate Wahlkampagne, sondern auf drei Jahre Grüne in der Ampel-Koalition. Die strukturellen Fehler haben wir vor dem Ampel-Bruch gemacht. Drei Monate waren nicht genug, um neues Vertrauen aufzubauen.

1. Bündnis- statt Protestpartei

Durch die massiven Verluste an die Linke entsteht schnell der Reflex, „mehr so zu sein wie die“. Einfluss zu suchen und nicht rechthaberisch in der Ecke zu stehen, muss weiter unser Anspruch sein. Wir sind keine Protestpartei, sondern müssen eine politische Alternative mit klugen Konzepten sein. Unser Anspruch der letzten Jahre ist richtig:

Wir sind eine Bündnispartei und wollen unterschiedliche Milieus zusammenführen. Das bleibt unsere gesellschaftliche Aufgabe. Die Große Koalition wird sehr mit sich selbst beschäftigt sein. Damit 2029 die AfD nicht stärkste Partei wird, müssen wir zeigen, dass es eine gute Alternative zur neuen Bundesregierung gibt.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass es uns in den letzten Jahren immer seltener gelungen ist, bündnisfähig zu sein. Wir haben vor lauter Regierungskompromissen gesellschaftliche Hegemonie verloren. Grüne Stärke war immer, parlamentarische und außerparlamentarische Politik zusammenzuführen. In den Ampel-Jahren haben sich Zivilgesellschaft und Grüne voneinander entfernt.

2. Vielfalt zulassen und frecher werden

Mit dem Anspruch, mehrheitsfähig zu sein, müssen wir es schaffen, unterschiedliche Milieus anzusprechen. In den letzten Jahren haben wir Kernmilieus verloren (junge Menschen, städtische Wähler*innen), ohne gleichzeitig neue Milieus zu begeistern. Wir sollten an dem Anspruch festhalten, eine 20-%-Partei zu werden. Dafür ist es wichtig, inhaltlich wie personell mehr Vielfalt abzubilden: starke Sozialprofile, Menschen mit Wirtschaftskompetenz und Klimaprofile. In der personellen Neuaufstellung müssen wir Vielfalt abbilden.

In den vergangenen Jahren haben wir zu wenig Vielfalt zugelassen.

Wir müssen politisch frecher werden. Die letzten Wahlkämpfe waren durch Vorsichtigkeit getrieben, das hat sich gerächt. Wer sich nichts traut, wird langweilig. Das wird in der Opposition noch stärker durchschlagen.

3. Soziales Profil schärfen

Es war richtig, aus den verlorenen Landtagswahlen und der Europawahl abzuleiten, soziale Gerechtigkeit und ein bezahlbares Leben ins Zentrum zu stellen. Die letzte Konsequenz hat allerdings gefehlt. Aus Befragungen wissen wir, dass bezahlbare Mieten und Gesundheit Themen sind, die für eine Mehrheit der Menschen von zentraler Bedeutung sind. Statt Punktpläne zur Migration/Sicherheit hätten wir Aktionstage und Pläne zu bezahlbaren Mieten gebraucht. Die Forderung nach einer Milliardärsteuer war gut gedacht, die Forderung nach einer Vermögensteuer aber klarer und beliebter. Anstatt klar für Tarifbindung und gute Arbeit zu kämpfen, lieferten wir uns eine krampfhafte Programmdebatte über die Frage, ob Bürokratieabbau wichtiger ist als der Kampf für faire Bezahlung. Wir sollten in der Opposition unser Profil schärfen und uns nicht hinter Formelkompromissen verstecken.

4. Hinhören und Vertrauen zurückgewinnen

In Gesprächen an den Haustüren im Wahlkampf oder in Schulen nach der Wahl stellt man schnell fest, was Menschen bewegt und was sie an Politik vermissen. Wenn ein Schüler einem das direkte Feedback gibt, dass er bei uns Haltung vermisst und deshalb bei dieser Wahl die Linke gewählt hat, entwickelt man ein besseres Gefühl dafür, was schiefgelaufen ist. Wir sollten als Oppositionspartei auch außerhalb von Wahlkämpfen an Haustüren klingeln und in Schulen und Betrieben stärker präsent sein.

Um den Neustart zu vollziehen, sollten wir auch außerhalb von Berliner Gremien über unsere Neuaufstellung diskutieren. Regionalkonferenzen könnten dafür ein gutes Instrument sein.

Die 4 Punkte zum Neustart der Grünen können auch hier als PDF-Datei heruntergeladen werden.