24. Januar 2019

PE/Rede Das Vergabegesetz ist ein Kompromiss – aber kein Grund für Weltuntergangsstimmung

Reden und Video

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,

Politik bringt an manchen Tagen mehr Spaß als an anderen. Mit dem heute vorliegenden Gesetzentwurf wird der Jamaika-Koalitionsvertrag in einem Punkt umgesetzt. CDU und FDP haben von der Vergabepolitik ein grundsätzlich anderes Verständnis als Grüne, SPD und SSW. Das Vergabegesetz ist ein Kompromiss. Wir haben Verständnis für sachliche Kritik, für Weltuntergangsstimmung gibt es aber keinen Grund.

Weder setzt das Vergabegesetz internationale Abkommen, beispielsweise gegen Kinderarbeit, außer Kraft, noch untergräbt es bestehende Gesetze auf Bundes- und Europaebene. Kommunen wird auch nicht untersagt, stärker soziale und ökologische Nachhaltigkeit bei Ausschreibungen zu berücksichtigen. Es kommt auf die Ausgestaltung an. Unsere Grüne Finanzministerin beweist täglich bei der öffentlichen Beschaffung, was man alles tun kann. Dies gilt beispielsweise für Recyclingpapier oder PVC-freie Büromöbel.

Aber auch viele Kommunen beschaffen nachhaltig. Die Stadt Flensburg beispielsweise.

Andere brauchen mehr Unterstützung. Wenn es ausschließlich nach uns gegangen wäre, hätten wir das Gesetz in dem Punkt so gelassen. Aber das Gesetz allein hat auch nicht zu nachhaltiger Beschaffung geführt. Kleine Kommunen haben dafür oftmals nicht die Ressourcen. Wir Grüne haben deshalb in den Haushaltsberatungen durchgesetzt, dass es zukünftig eine Beratungsstelle für nachhaltige Beschaffung geben soll.

Die Beratungsstelle soll konkrete Handlungsempfehlungen für Kommunen entwickeln und gleichzeitig Hilfestellung bei der Anwendung von Siegeln geben. Ich glaube, dass diese Beratungsstelle viel mehr für nachhaltige Beschaffung bringt, als unser altes kompliziertes Gesetz.

Bei der Tariftreue hätten wir Grüne gerne klarere Bestimmungen ins Gesetz geschrieben. Die Situation für viele Angestellte im ÖPNV oder auch in der Abfallwirtschaft ist unbefriedigend. Sie leiden unter Sozialdumping und der Konkurrenz durch Billiganbieter. Bisher, das zeigt das Beispiel Schleswig-Flensburg, gilt das Argument, dass sich Qualität bei Ausschreibung schon allein aufgrund des Fachkräftemangels durchsetzt, nicht.

Wir sind für eine verpflichtende Personalübernahme bei Betreiberwechsel, allerdings sind wir in dem Punkt in der Koalition auf Granit gestoßen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass wir dies in der alten Koalition auch nicht gemacht haben. Etwas mehr Demut, Herr Hölck, wäre also angebracht. Auch wenn mir klare einheitliche Landesregeln lieber wären, vor Ort handeln viele Kommunalpolitiker*innen verantwortungsvoll. Nordfriesland und Steinburg haben die Personalübernahme gerade beschlossen. Wir Grüne unterstützen alle Initiativen vor Ort und hoffen, dass dies im Kreis Segeberg, in Heide und Itzehoe auch bald eindeutig beschlossen wird.

Eine andere Forderung der Gewerkschaften ist hingegen aufgegriffen worden und da bin ich sehr froh drüber. Nämlich die Verpflichtung zur Gewährung der Nebenleistungen bei Tarifverträgen auch bei Betreiberwechsel. Das bringt vielen Arbeitnehmer*innen Sicherheit und sorgt für einen faireren Wettbewerb zwischen den Anbietern.

Dank uns Grünen bleibt der Vergabemindestlohn von 9,99 Euro erhalten. CDU, FDP und ja, auch der ehemalige SPD-Minister Meyer wollten und wollen ihn abschaffen. Grüne und SSW haben ihn damals gesichert. Das Land bleibt damit vorbildlich bei der Zahlung von Löhnen bei öffentlicher Auftragsvergabe. Von wegen neoliberal. Wir sichern damit für Reinigungskräfte und Wachpersonal einen höheren Lohn.

Ein kluger Mensch hat mal gesagt: „Ein Kompromiss ist das beste Ergebnis, das man erzielen konnte. Und das schlechteste, das man erreichen konnte.“ Wir Grüne sind vertragstreu. Das neue Vergabegesetz könnte besser sein. Es würde uns gut zu Gesicht stehen als Koalition stärker an der Seite der Arbeitnehmer*innen zu stehen. Es ist aber auch nicht im Ansatz so schlimm, wie es jetzt von Ihnen, Herr Hölck, gemacht wird. Lassen Sie uns gemeinsam in zwei Jahren drauf schauen und ehrlich bewerten, welche Effekte es gehabt hat.

Vielen Dank.

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