19. Januar 2018

Positionspapier: Eine neue StartUp- und Kreativ-Politik für eine neue Ökonomie: nachhaltig, innovativ, digital.

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Von Rasmus Andresen, Dirk Scheelje, Ulrich Bähr
Soziale, ökologische und kreative Wirtschaft als Chance für Schleswig-Holstein
Digitale Kieler Woche, wachsende Gründungs- und Kreativzentren in den Hochschulstädten und immer mehr erfolgreiche Ideen, die das Potenzial haben, unsere Gesellschaft nachhaltig zu verändern: Schleswig-Holstein kann zum Kreativ- und Gründungsland Nr. 1 werden!
Schleswig-Holstein ist prädestiniert, eine Vorreiterrolle in der Energiewende, der postfossilen Mobilität und den Services für den ländlichen Raum einzunehmen und damit einen Grundstein für ein neues, auf Nachhaltigkeit, Digitalität und soziales Wohlergehen ausgerichtetes Ökosystem zu legen. Gründer*innen werden die eigentlichen Akteure dieser Transformation sein, da bestehende Unternehmen ihre Geschäftsmodelle nicht so schnell neuausrichten können oder wollen. Gründungsförderung wird damit ein noch wichtigerer Bestandteil der allgemeinen Wirtschaftsförderung.
Wir verstehen Gründung als sehr breiten Begriff: Vom klassischen StartUp über soziale oder ökologische Gründungen gewachsen aus Hochschulstrukturen bis zum Intrapreneurship, also innovativer Erneuerung innerhalb etablierter Unternehmen.
Wir wollen keine einseitige Fokussierung in der Wirtschaftspolitik des Landes. Es muss für social Entrepreneurship oder Projekte zur ökologischen Nachhaltigkeit genauso Platz sein wie für gewinnorientierte StartUps beispielsweise aus dem Tech- oder Datenschutzbereich. Unsere Wirtschaftsförderpolitik darf deshalb nicht einseitig ökonomisch orientiert sein; Erfolg darf sich nicht allein an der Höhe des Umsatzes bemessen. Für Ideen, die unsere Gemeinschaft stärken oder ökologisch nachhaltig sind, muss in der Wirtschaftsförderung auch Platz sein.
Es geht uns um einen kulturellen Wandel hin zu mehr Innovation und Freigeist. Wenn wir Kreativwirtschaft und innovative Gründungspolitik denken, denken wir nicht an das Silicon Valley, sondern an ein modernisiertes Schleswig-Holstein: Aufbauend auf unserer mittelständischen Wirtschaftsstruktur, mit spannenden Kreativprojekten und unseren Hochschulen.
Für ein industriell unterentwickeltes und mittelständisch geprägtes Land wie Schleswig-Holstein ist die Förderung von Gründer*innen mit derartigen Geschäftsmodellen eine große Chance im Wettbewerb mit anderen nationalen und internationalen Standorten um Talente und die an ihnen hängenden volkswirtschaftlichen Perspektiven.
Diese Gründungen zeichnen sich durch eine Versöhnung ethischer Leitbilder mit ökonomischen Prinzipien aus. Typischerweise hat das wirtschaftliche Wachstum kein Primat vor nachhaltigen Zielen – das unterscheidet die Haltung dieser Gründer*innen deutlich von jenen der klassischen, profitorientierten Wirtschaft und der jungen digitalen Plattformökonomie. In der Folge sprechen wir von Gründungen nicht nur, aber vor allem in diesem Sinne.
Auch durch die Verknüpfung von klassischen Wirtschaftsbereichen in Schleswig-Holstein, wie zum Beispiel der Erneuerbaren Energie und der Landwirtschaft mit neuen Ideen im Rahmen der Digitalisierung, können wir unsere Wirtschaftsstruktur modernisieren.
Ziel einer grünen Startup-Politik ist es dagegen nicht, innovative Ideen mit gegebenenfalls auch schädlichen Effekten verschiedenster Art so schnell wie möglich zu implementieren, schnell wachsen und dann schnellstmöglich verkaufen zu lassen und damit einen Steuer- und Know-How–Abfluss zu unterstützen.
Unsere Ziele erreichen wir nicht über die Förderung von einzelnen Unternehmen, sondern indem wir kreative Freiräume zur Ideenentwicklung und Entfaltung schaffen. Wir brauchen Strukturen, die Innovationen möglich machen viel mehr als einzelbetriebliche Förderung. Politik, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Bildungsinstitutionen sollten Schleswig-Holstein gemeinsam zum Kreativland entwickeln!
Gründungen als Grundstein einer zukunftssicheren Wirtschaftspolitik
Ein gutes Gründungsklima ist der wichtigste Beitrag zu einer Wirtschaftswende hin zu Wohlstand durch nachhaltige Innovation, digitalen Wandel und ökologische Modernisierung.
In dieser Wende liegt die große weltwirtschaftliche Chance der schleswig-holsteinischen Ökonomie im 21. Jahrhundert. Besonders groß ist das Potenzial in der Energie- und Rohstoffeffizienz, nachhaltigen Services und der CO2-neutralen Mobilität sowie in der Entwicklung des ländlichen Raums. Eine mutige Wirtschaftsförderung wird diese Chance nachdrücklich und sichtbar durch Schwerpunktsetzung ergreifen.
Nach den Ergebnissen des Green Economy Gründungsmonitors 2014 wurden in Deutschland von 2006 bis 2013 rund 170 000 Unternehmen in den Bereichen Erneuerbare Energien, Energieeffizienz, Kreislaufwirtschaft und Klimaschutz gegründet. Sie schufen dabei ca. 1,1 Millionen Arbeitsplätze. Insgesamt leisten rund 14 Prozent aller Gründungen in Deutschland mit ihren Produkten und Dienstleistungen einen Beitrag zu einer umwelt- und klimaschonenden Wirtschaft. Diesen Bereich wollen wir ausweiten.
Mit diesem Papier zur Förderung von Kreativwirtschaft und StartUp-Politik wollen wir neue Impulse setzen und ein Paradigmenwechsel in der Wirtschaftspolitik des Landes anstoßen.
Rückläufige Gründungen – ein dramatisches Zukunftsproblem
Leider verschlechtern sich die Chancen, dass talentierte Gründer*innen unser Land auf diesen Weg führen werden. Laut KFW-Gründungsmonitor ist Schleswig-Holstein im 3-Jahres-Vergleich im Ländervergleich von Rang 8 auf Rang 10 abgerutscht.
Die Zahl der Gründungen ist also rückläufig. Das hat vier Gründe:
1. Die gute Gesamtkonjunktur wirkt sich auch in unserem Land aus – Arbeitnehmer und vor allem die für Gründungen so wichtigen Absolventen der Generation Y & Z haben ausgezeichnete Aussichten, ihre Vorstellungen guter Arbeit auch in den sich wandelnden Konzernen leben zu können.
2. Der Arbeitsmarkt insgesamt ist leergefegt, die Nachfrage groß. Daher gehen auch prekäre Notgründungen zurück.
3. Gründungskapital ist an anderen deutschen Standorten leichter zu erwerben als in Schleswig-Holstein, so dass es insgesamt einen Abfluss potenzieller Gründer*Innen in andere Bundesländer gibt.
4. Es fehlt ein Fokus im Bildungsbereich auf Kreativität und Gründung.
Seit einem Vierteljahrhundert ist die Zahl der Arbeitslosen in Schleswig-Holstein in einem Dezember nicht so niedrig gewesen wie 2017 (Regionaldirektion Nord der Bundesagentur für Arbeit): Die Arbeitslosenquote betrug im Dezember 2017 5,8 Prozent (August: 6,1). Im Dezember 2016 waren es 6,1 Prozent.
Dieser Beschäftigungsrekord auf dem Arbeitsmarkt schlägt direkt auf die Gründungstätigkeit durch. Die Anzahl der Existenzgründer*innen ist im Jahr 2016 auf einen neuen Tiefstand gesunken.
Die außergewöhnlich gute Arbeitsmarktentwicklung mit höheren Jobchancen lässt insbesondere so genannte „Notgru?ndungen“ seltener werden: Noch nie gab es weniger Notgründer*Innen, noch nie war das Verhältnis von Chancengründer*innen zu Notgründer*innen besser.
Aber auch Chancengru?nder*innen können sich dem rückläufigen Trend nicht entziehen: Die Anzahl der Menschen, die gru?nden, um eine explizite Geschäftsidee umzusetzen, sank bundesweit von 2015 bis 2016 auf 310.000.
Innovationsfeindliche Unternehmen und eine sich überhitzende Konjunktur zerstören Zukunftschancen
Die anhaltend guten Geschäftsaussichten deutscher und auch schleswig-holsteinischer Unternehmen haben also einen kurzfristig positiven – mehr Menschen in Arbeit, gesunde bestehende Unternehmen – aber einen langfristig negativen Effekt: Weniger Gründungen bedrohen durch fehlende Innovationskraft die Volkswirtschaft von morgen. Zudem ist zum einen die Qualität vieler Beschäftigungsverhältnisse zu hinterfragen, zum anderen wird der Boom vor allem durch die „Old Economy“ getragen, die durch die noch erfolgreiche Fortschreibung traditioneller Geschäftsmodelle verhindert, dass unsere Wirtschaft eine Transformation hin zu einer zukunftssicheren, nachhaltigen und digitalisierten Ökonomie durchläuft. Das Beharren auf der Dieseltechnologie ist nur ein prominentes Beispiel für einen innovationsfeindlichen Wirtschaftskonservatismus, der für die Gewinne von heute die Chancen von morgen opfert.
Für Schleswig-Holstein aber kann sich in diesem historischen Moment die bisherige Schwäche – kaum Industrie – zu einem Vorteil wandeln. Die beharrenden Kräfte im System sind gering, das Land kann seine Kraft ganz auf die Errichtung und Förderung einer neuen Ökonomie konzentrieren. Deshalb wollen wir Strukturen fördern, die Innovationen und Kreativität möglich machen. Dazu gehören auch neue Austauschforen zwischen etablierten Unternehmen und jungen Gründer*innen – wir wollen mehr Verknüpfungen herstellen.
Wirtschaftsförderung neu auf Gründungsförderung ausrichten
Es gibt noch keine schlüssige und ganzheitliche Startup-Politik im Lande. Eine neue StartUp-Politik macht das Land insgesamt innovationsorientierter, unterstützt die Entwicklung einer echten Innovationskultur in Schleswig-Holstein, schafft neue Unternehmen und neue Beschäftigungsmöglichkeiten und macht das Land zukunfts- und wettbewerbsfähiger. Sie unterstützt die Imagebildung als innovativer Wirtschaftsraum und begrenzt den Brain-Drain von High Potentials, Akademikern und Fachkräften gen Süden.
Angesichts der Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt sind förderpolitische Instrumente, die „Notgründer*innen“ oder die aufwendige Ansiedlungsakquise stützen, zu evaluieren. Gerade jene Unternehmen, die durch die Bindung potenzieller Gründer*innen die Entstehung innovativer StartUps im Lande eher verhindern, sollten nicht in den Genuss von Ansiedlungsförderung kommen – ein Umdenken ist vor der oben geschilderten konjunkturellen Kulisse bitter nötig. Nachhaltige Wirtschaftsförderung verlangt, sich von bisher geltenden Glaubenssätzen abzuwenden. Chancen dürfen nicht für kurzfristige und überkommene Kennzahlen geopfert werden.
Gleichzeitig muss das Gründungsklima deutlich gestärkt werden. Vorhandene finanzielle und personelle Ressourcen sollten konzentriert für die Gründer*innenförderung verwandt werden – und auch hier mit klaren Schwerpunkten: Wie oben beschrieben und im Koalitionsvertrag festgelegt, sollte für grüne und soziale StartUps ein besonders förderliches Gründungsklima geschaffen werden. Wir wollen eine passgenaue Gründer*innen-Förderung, die den unterschiedlichen Bedarfen Rechnung trägt.
Im Schnitt nur 17 % der Gründer*Innen sind „Wachstumsgründer*innen“, also solche, die mit ihren Gründungen auf ein nachhaltiges Wachstum zielen. Diese sind besonders zu fördern, da sie Arbeitsplätze schaffen und Gewinne vergesellschaften. Zudem tragen sie zu der Entstehung eines qualifizierten Arbeitsmarkts bei, der dann wiederum innovative Unternehmen anzieht. Wachstumsgründungen sind digitaler, innovativer, aber auch kapitalintensiver als andere Gründungen. Für diesen Bedarf sollte es besondere Förderinstrumente geben. Vier Faktoren müssen dabei zusammenspielen: Inspirieren, qualifizieren, Räume geben und finanzieren.
Gründungsklima
Die erfolgreichen StartUp-Hotspots dieser Welt entwickelten sich dort, wo junge Menschen in der Vorgründungsphase inspiriert und ermutigt werden. Wo es unter Student*innen und jungen Arbeitnehmer*innen eine Community und einen Geist gibt, der die die Gründung stets zur attraktiveren Wahl macht und ein professionalisierendes Umfeld, dass sie mit den notwendigen Fähigkeiten und Zugängen zu Ressourcen ausstattet.
Das Silicon Valley entwächst Stanford, die boomende israelische Gründungsszene der Militär-Eliteeinheit IDF 8200. Ohne das jeweils zugrundeliegende Wertemodell zu kopieren, ist es wichtig wahrzunehmen, dass die Idee zur Gründung natürlich VOR der Gründung entsteht. Orte müssen geschaffen und gestärkt werden, in denen junge Menschen zur Gründung inspiriert und qualifiziert werden. Formate und Orte also, die Gründungen nicht erzeugen, aber die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass sie stattfinden. Eine Gründung soll Spaß machen und andere Menschen motivieren, sich ebenfalls selbständig zu machen. Zum Gründen gehören aber auch Rückschläge. Nicht jede Idee funktioniert beim ersten Versuch. Viele gute Projekte führen erst über Umwege zum Erfolg. Wir brauchen auch in Schleswig-Holstein eine neue Gründungskultur.
Gründer-Cup-artige Veranstaltungen wie in der Region Kiel sollten in allen Regionen des Landes durch geeignete Trägerstrukturen oder im Land zentral angeboten werden. Dafür sollten unterstützende Fördermittel des Landes zur Verfügung stehen. Zudem sollten Nachhaltigkeitskriterien bei der Bewertung und Auszeichnung von Businessplänen bei Gründungswettbewerben einbezogen werden.
Schon die wenigen positiven Ansätze im Lande wie die Gründung und Förderung des Netzwerks StartUp SH e. V. und dessen Förderung, das StartUp Summercamp des Landes in Kooperation mit Microsoft, die Förderung des Waterkant-Festivals, die Digitale Woche Kiel, das Science Match „Future Energies“ und ähnliche Aktivitäten haben die Wahrnehmung Schleswig-Holsteins als innovativen Forschungs- und Wirtschaftsraum nachweislich verbessert, die Reichweite der Wahrnehmung des Landes deutlich erweitert und z. B. bereits zu einer Verbesserung im Ranking des jährlichen Startup-Monitors geführt.
Diese Aktivitäten vieler Akteure in Kooperation mit dem Wirtschaftsministerium werden daher ausdrücklich begrüßt, müssen aber noch erweitert, konzeptionell ausgearbeitet und verstetigt werden. Es ist zusätzlich wichtig, das bisherige, noch stark von punktuellen Aktivitäten geprägte Startup-Ökosystem Schleswig-Holsteins systematisch zu erfassen, zu analysieren und zu bewerten.
Ziel muss der Aufbau eines ganzheitlichen, synergistisch wirkenden, wertschöpfungs- und beschäftigungsorientierten Gesamtökosystems für Startups in allen Regionen SchleswigHolsteins sein.
Dafür sind auch kreative, offene und kulturelle Milieus eine Voraussetzung. Eine menschenrechtsorientierte Gesellschaftspolitik (humane Asylpolitik, Gleichstellung und aktive Antidiskriminierungspolitik) sind ein wichtiger Faktor für attraktive Standortbedingungen.
Maßnahmen: Infrastruktur
Eine gute digitale Infrastruktur ist eine wichtige Grundlage für eine erfolgreiche Gründer*innen-Landschaft. Dazu gehört Breitband ebenso wie die möglichst flächendeckende Verfügbarkeit von schnellem und freiem WLAN sowie mobilem Internet.
Die Gründungszentren an unseren Hochschulen müssen ausgebaut werden und gemeinsam mit den Technologiezentren stärker in die jeweilige Region wirken. Die Technologiezentren spielen eine sehr bedeutende Rolle für Gründungen. Wir wollen sie weiter unterstützen.
Zu einer gründungsfreundlichen Infrastruktur gehört auch eine zugängliche und effiziente digitale Verwaltung in den Förderinstitutionen. Es soll möglich sein, alles online abzuwickeln, aber auch, sich durch zentrale Ansprechpartner persönlich beraten zu lassen. Dies würde zu wirklichem Bürokratieabbau führen.
Maßnahmen: Räume und Formate
Freiräume schaffen von Anfang an
Grundlage für mehr Gründungen sind gesellschaftliche Freiräume, in denen neue Ideen entstehen und man Ideen ausprobieren kann. Dafür brauchen wir neben Infrastruktur einen kulturellen Wandel für mehr Kreativität und Innovation. Dies muss in Kita, Schule und Hochschule beginnen. Wir wollen jungen Menschen schon früh die Möglichkeit geben, sich kreativ zu entfalten, Verantwortung zu übernehmen und eigene Ideen zu entwickeln. Wir wollen deshalb in unseren Schulen mehr Freiräume für kreative und offene Projekte. Statt immer mehr klassischen Schulunterricht und Leistungsdruck wollen wir mehr interdisziplinäre Projektwochen, in denen Schüler*innen ihre Ideen als Projekte umsetzen können. Musisch kreative und gesellschaftliche Fächer sollten gestärkt werden. Die Wiedereinführung von G9 muss dafür genutzt werden, die tradierten Lehrpläne zu entrümpeln und mehr Freiräume für Kreativität zu schaffen und die Schulen radikal zu demokratisieren. Die ökonomische Bildung in den Schulen muss gestärkt und modernisiert werden. Lehrkräfte sollten mehr Fortbildungsmöglichkeiten in den Bereichen methodisch innovatives Lernen und Entrepreneurship bekommen.
Der Unterricht sollte vom reproduzierenden Lernen hin zum Kompetenzerwerb durch Anwendung verändert werden, sowie zum Lernen durch kollaborative Problemlösungsprozesse.
Dazu sollte das Land an allen allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen (in einem ersten Schritt an 30 Schulen in allen Regionen Schleswig-Holsteins) Fablabs einrichten, um Schüler*innen Räume zur kreativen Entfaltung zu geben. Unser Ziel ist es, dass ähnlich wie in Dänemark alle Schüler*innen und Kitakinder bei uns im Land mit Entrepreneurship frühzeitig in Kontakt kommen. Entrepreneurship Education sollte nicht nur im Wipo-Unterricht in der Oberstufe stattfinden, sondern auch in jüngeren Jahrgangsstufen.
Wir wollen, dass die Einrichtung von Fablabs und andere Formen von offenen Projekträumen mit pädagogischen Konzepten einhergeht. Die Schüler*innen sollen Vertrauen entgegengebracht bekommen und diese Räume selbstverwaltet organisieren. Es geht dabei nicht um die Erstellung von Produkten oder das Gründen eines Unternehmens, sondern um Persönlichkeitsbildung und Entfaltung.
Wir brauchen in allen Regionen Schleswig-Holsteins kulturelle Orte, an denen man sich frei entfalten kann. Land und Kommunen sollten diese gemeinsam fördern. Wir wollen Orte wie in Kiel beispielsweise die alte Mu, Open Campus oder den deutsch-dänischen VekselWirk-Raum ausbauen und stärker unterstützen.
Innovationhubs
Es fehlt derzeit an Orten, die als Leuchttürme und Anlaufpunkte in die Landschaft strahlen und vom Gründergeist getragene Menschen mit ihrem Spirit, ihrer Community und einem Chancen-Versprechen anziehen. Potenzielle Gründer*Innen, gerade in den grünen und sozialen Ökonomien, haben eine hohe innere Motivation. Umfragen zeigen, dass sie wissen, dass, bevor sie wissen, was sie gründen wollen. In diesem Moment braucht es Stärkung, Inspiration und Vernetzung.
Notwendig sind Innovationshubs, in denen – themen- oder branchenspezifisch – mit geeigneten Moderationsformen an der Sammlung und Konkretisierung spezifischer Lösungsideen gearbeitet wird. Sie bieten mit CoWorking und Fablabs investitionsarmen Raum für StartUps. Gleichzeitig bieten sie eine inspirierende Community, die Cross-Innovationen ermöglicht. Gerade Gründer*Innen aus dem universitären, fachbezogenen Umfeld brauchen oft Unterstützung dabei, ein ausgewogenes Team zusammenzustellen, was die Grundvoraussetzung für nachhaltigen Gründungserfolg ist. Dieses Teambuilding wird durch Formate wie Hackathons oder Prototyping-Weeks in Innovationhubs ermöglicht. Diese und ähnliche Formate inspirieren oft auch Menschen dazu, Teil einer Gründung zu sein, die es vorher gar nicht geplant hatten.
Ein weiteres Angebot im Innovationhub sind Weiterbildungsangebote zu Themen der Unternehmensführung, die den fachlich getrieben StartUps oft fehlen, z.B. aus dem Bereichen Innovationsmanagement, Projektmanagement, Finanzplanung etc. Denn Gründer*innen sind oft Fachleute, die für ihre Idee brennen, viele StartUps scheitern aber an Defiziten in anderen Bereichen unternehmerischen Handelns.
All diese Angebote sollen auch auf bestehende Firmen wirken, um die Gründer*innen mit ihnen zu vernetzen und innovative Geschäftsmodelle in die Unternehmen hineinzutragen.
Das Wirtschaftsministerium sollte mindestens zwei regional und thematisch unterschiedliche Innovationshubs modellhaft fördern und im Rahmen eines begleitenden Forschungsprojekts evaluieren. Üblicherweise werden Innovationhubs von Großunternehmen oder Branchen zur Erarbeitung kreativer, häufig digitaler Lösungen organisiert und betrieben. Wegen der klein- und mittelständischen Struktur der Wirtschaft Schleswig-Holsteins aber macht es Sinn, derartige Strukturen in Schleswig-Holstein durch die öffentliche Hand zu initialisieren und öffentlich zu fördern.
FabLabs
Zur Unterstützung von Startups und jungen oder kleinen Unternehmen sollten unter Berücksichtigung der regionalspezifischen Bedarfslagen in regionalen FabLabs für das einzelne Unternehmen zu teure oder nur zeitweilig genutzte Gerätschaften vorgehalten werden. In Abhängigkeit von der Größe und Wirtschaftskraft der nutzenden Unternehmen könnten zur Refinanzierung Nutzungsgebühren erhoben werden.
Grundsätzlich kämen für derartige FabLabs die Fachhochschulen im Lande infrage. Auch genossenschaftliche oder selbsthilfevereinsartige Trägerstrukturen auf Basis der nutzenden Unternehmen in Anlehnung an landwirtschaftliche Maschinenringe dafür denkbar. Das Wirtschaftsministerium sollte hierzu eine Studie zur Klärung weiterer strategischer und konzeptioneller sowie Finanzierungs-/Refinanzierungsfragen vergeben.
Acceleratoren
Zentral sollte es darüber hinaus einen landesweit wirkenden Accelerator geben, in dem besonders chancenreiche Startups das Angebot erhalten, in einem StartUp-Bootcamp noch einmal „hochtrainiert“ zu werden.
Dafür gibt es verschiedene Rechts- und Organisationsformen. Es kann als Auftrag vergeben oder im Rahmen einer langfristigen Projektförderung betrieben werden. Eine landeseigene Struktur oder landeseigene Bauten sollten dabei nicht die vorrangigen Lösungsansätze sein.
Das Wirtschaftsministerium sollte gebeten werden, hierzu verschiedene Organisations- und Betriebsmodelle zu entwerfen, synoptisch darzustellen und die jeweiligen Vor- und Nachteile zu beschreiben und dem Landtag zu berichten. Für 2019 sollten die dafür benötigten Haushaltsmittel im normalen Haushaltsaufstellungsverfahren berücksichtigt werden.
Maßnahmen: Förderung
Seed-Finanzierung
StartUps mit dem Fokus auf digitale Services und Software werden im bisherigen Fördersystem des Landes nicht erreicht. Deren materielle Förderung in der Entwicklungsphase, um eine präsentable Pilotversion zu erhalten, ist im öffentlichen Fördersystem bisher nicht möglich und schreit geradezu nach intelligenten neuen Lösungen.
Mit dem Gründungsstipendium hat das Land Schleswig-Holstein zwar eine wichtige Initialförderung zur Unterstützung von Entrepreneurship im akademischen Bereich gemeinsam mit der IB.SH geschaffen. Flankiert werden müsste das aber durch ein ähnliches Programm im nichtakademischen Bereich, das finanziell an die Bedarfe bereits im Arbeitsleben stehender Menschen ausgerichtet ist. Auch für soll eine Gründung denkbar werden – das bisherige Stipendium leistet dies nicht.
Für den Bereich des Handwerks werden wir eine Meistergründungsprämie schaffen, die Unternehmensnachfolgen sichert und Innovationen im Handwerk unterstützt.
Zwischen dem auf Erhalt des Lebensunterhalts ausgerichteten Gründungsstipendium und einer weitergehenden Unternehmensfinanzierung durch Risikokapital klafft allerdings eine Lücke, die einige Gründer*innen mit ihren Projekten nicht überwinden.
Meist können die Banken nicht vor- oder zwischenfinanzieren, da es keine Sicherheiten gibt und können kaum private Finanzierungen über Venture Capital erreicht werden, da kein Referenzobjekt zur Verfügung steht.
Notwendig ist daher eine öffentliche Seed-Finanzierung, die Gründer*innen mit einer prototypisch entwickelten Geschäftsidee – auch jenen, die bereits das Gründungsstipendium erhalten haben – den Start in den Markt und die beratungs- und arbeitsintensive Vorbereitung einer ersten Finanzierungsrunde ermöglicht. Bei Vorliegen eines geprüften Wirtschaftlichkeitskonzeptes sollte Ihnen Zugang zu einem zinslosen Darlehen von bis zu 25.000 Euro ermöglicht werden.
Der Seed- und StartUp-Fonds ist ein wichtiger Beitrag, der in diesem Sinne weiterzuentwickeln ist.
Öffentliches Risikokapital
Der Zugang zu Risikokapital, mit dem sich der professionelle Aufbau eines Unternehmens in den Markt hinein finanzieren lässt, ist im Vergleich zu anderen Standorten in Schleswig-Holstein sehr schwierig und ein gewichtiger Grund für den Abfluss chancenreicher Gründungen aus dem Land.
Hier ist das Wirtschaftsministerium gefordert, seine Förderkulisse zukunftsorientiert in Richtung öffentlichen Risikokapitals zu erweitern.
Erforderlich ist sowohl für Seed- wie für Risikofinanzierung eine Begutachtungsstruktur zur Flankierung der Startup-Bemühungen um Bankenfinanzierungen, um den nachhaltigen Einsatz öffentlicher Mittel zu gewährleisten und bedarfsweise die öffentlichen und privaten Kreditbearbeiter zu beraten.
Wesentlich ist dabei eine niedrigschwellige Zugänglichkeit der Fördermittel, die von den StartUps keine marktunüblichen Leistungen und Sicherheiten abverlangt. Neben der Verfügbarkeit öffentlichen Risikokapitals ist die erleichterte Erschließung privaten Risikokapitals notwendig. Hierzu bedarf es verschiedener Instrumente. Vom Wirtschaftsministerium oder der WTSH sollte eine Matching-Plattform für StartUps aus Schleswig-Holstein und privaten Kapitalgebern aus Schleswig-Holstein geschaffen und angeboten werden.
In geeigneter Form sollten in regelmäßiger Abfolge und wechselnden Regionen des Landes Finanz-Pitch-Veranstaltungen angeboten werden. Dafür sollte im Lande an geeigneter Stelle eine Geschäftsstelle vorgehalten werden.
Mit einer derartigen und neuen Förderung werden auch hier ausgebildete EntwicklerInnen im Lande gehalten oder neue hergezogen und stehen damit später auch für andere Vorhaben zur Verfügung. Die weitergehende Vernetzung derartiger KompetenzträgerInnen im Lande über das Digitalcluster DiWiSH und das Kompetenzzentrum Software System Engineering KoSSE und damit die dauerhafte Standortverhaftung wäre schon jetzt möglich.
Kreativwirtschaft
Viele Gründungen erfolgen durch Kreativschaffende: Über 1,6 Millionen Menschen waren im Jahr 2015 in Deutschland in einer der zahlreichen Teilbranchen der Kreativwirtschaft erwerbstätig. Auch in Schleswig-Holstein wird die Leistung der Kreativwirtschaft immer maßgeblicher. Ein großer Teil von ihnen arbeitet als Selbstständige und Kleinunternehmer*innen. Die geistigen, kreativen, kulturellen und sozialen Innovationen, die sie schaffen und die zu einer lebendigen Demokratie beitragen, fallen aber bei vielen Förderprogrammen durch das Raster.
Wir wollen auch für Digitalisierungsprojekte, von Softwareentwicklung bis hin zu Videospielen, Platz in der Förderstruktur unseres Landes machen. Hinter der Entwicklung stecken hochkreative Projekte. Unser Land kann in dem Bereich zwar nicht mit internationalen Strukturen konkurrieren, aber sich Lücken z.B. in Bereichen suchen, in denen wir bereits erfolgreich sind, wie Energie, Landwirtschaft oder Datenschutz.
Förderung im ganzen Land und für alle
Ziel einer landesweiten StartUp- und Innovationspolitik muss sein, sich nicht nur auf größere Hochschulstädte und junge Akademiker*innen zu konzentrieren. Das Potenzial ist auch in anderen Teilen des Landes und beispielsweise im Handwerk hoch.
Auch für Angestellte und Selbständige braucht es Schutzräume, um Ideen zu entwickeln – sei es Zeit oder finanzielle Absicherung. Besonders für bestimmte Zielgruppen wie Frauen oder Handwerker*innen kann mehr getan werden, um Innovationspotenzial abzurufen. Wir fordern sogenannte Innovations- oder Gründungszeiten. Dies beinhaltet das Recht auf Freistellung für die Teilnahme an Innovationsformaten wie Prototypingweeks oder für Gründungsprojekte. Bei der Ausgestaltung der Meistergründungsprämie wollen wir darauf achten, dass Anreize zur Finanzierung von möglichst innovativen Ansätzen und Ideen wie zum Beispiel die Verknüpfung zwischen dem klassischen Handwerk und der Digitalisierung gefördert werden.
Genderförderung
Wir wollen das besondere Potenzial von Frauen bei Gründungen besser abrufen und Ihnen mehr Möglichkeiten dazu geben, ihre Gründungsideen zu realisieren. Viele Untersuchungen zeigen, dass Frauen anders gründen. Deshalb wollen wir Netzwerkstrukturen und Forschung zu Genderaspekten stärker unterstützen. Bestehende Women’s Entrepreneurship-Projekte der Europa-Universität in Kooperation mit anderen schleswig-holsteinischen und dänischen Akteur*innen sollen erweitert und um den nichtakademischen Bereich ergänzt werden. Die Grundlage für erfolgreiche Projekte sind relevante Forschungsergebnisse; auch diese sollten im Rahmen der Hochschulpolitik vom Land unterstützt werden.
Maßnahmen: Beratung und Coaching
Vor der Entwicklung neuer und Anpassung bestehender Förderkulissen sollte genau erhoben werden, welche Hürden bisher den Abruf bestehender Förderprogramme behinderten. Hier ist ein größeres Verständnis für die Lebenswirklichkeit der StartUps geboten und eine entsprechende Beratungs- und Coachingkompetenz zu entwickeln.
Um eine größere Kompetenz und für den Bereich Kreativwirtschaft und StartUp Politik in der Landespolitik zu verankern, fordern wir einen StartUp-Beirat, angesiedelt beim Wirtschaftsministerium.
Im flankierenden Hilfesystem der Hochschulen, der Kammern, der Clustermanagements, der Innovations-, Technologie- und Gründerzentren, der WT.SH, der IB.SH u. a. gibt es bereits eine gute Beratung und Unterstützung, die aber noch besser untereinander abgestimmt und effizienter ausgerichtet werden könnte. Das Wirtschaftsministerium sollte gebeten werden, dafür eine ehrenamtliche Gruppe von erfahrenen Coaches aufzubauen und entweder selbst oder über die WT.SH zu betreuen.
Über Mentor*innen sollten die Teilnehmer*innen des Accelerators auf ihrem Weg in den Markt weiter unterstützt werden.
Das Wirtschaftsministerium sollte gebeten werden, dafür eine ehrenamtliche Gruppe von erfahrenen Mentor*innen zu verschiedenen accelerator-typischen Qualifizierungsangeboten aufzubauen und entweder selbst oder über die WT.SH zu betreuen.
Außerdem sollte im Land eine Gruppe von Business Angels aus Schleswig-Holstein in einer vereinsartigen Struktur zusammengeführt werden.
Neben finanziellen Fördermaßnahmen brauchen StartUps auch Plattformen wie Veranstaltungen/Messen oder die Landesvertretung, wo sie Gelegenheiten haben, sich zu präsentieren und mit Unternehmen ins Gespräch zu kommen.
Erst wenn es gelingt, alle genannten Einzelelemente zu einem kohärenten System zusammen zu führen, kann es gelingen, die rückläufigen Gründungszahlen in Schleswig-Holstein zu überwinden.
Durch eine teils additive, teils alternative neue Wirtschaftspolitik auf dieser Grundlage kann es gelingen, im Land eine echtes Innovationsklima, eine echte Innovationskultur und eine gesellschaftliche Aufbruchsstimmung zu erreichen und unsere Wirtschaft innovativ wettbewerbs- und zukunftsfähig sowie nachhaltig1 aufzustellen. Weg von der alten Gaststättenförderung, hin zu Strukturen, die Kreativität und Innovation ermöglichen!
Ziel einer grünen Startup-Politik ist es, in Schleswig-Holstein innovationsbasierte, nachhaltige Gründungen zu erleichtern und dauerhaft wirtschaftlich tätige Unternehmen mit hohen Wachstumspotentialen in einer bunten Vielfalt im Lande zu etablieren und zu halten. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen klare neue Schwerpunkte in der Förderpolitik gesetzt werden und es muss anerkannt werden, dass Wirtschaftsförderung in Zeit der Hochkonjunktur und des Fachkräftemangels vor allem Gründungsförderung bedeutet.
Maßnahmen: Gute Arbeit 4.0
Die Gesellschaft wird durch kreative und innovative Köpfe vorangebracht. Doch Selbständige in dem Bereich sind von „guter Arbeit“ oft weit entfernt: Extensive Arbeitszeiten, unregelmäßige und unsichere Einkommen, keine soziale Absicherung, keinerlei Sicherheit. Wir wollen hier ansetzen, indem wir bei der Gründungsförderung die Kosten der sozialen Absicherung und neue Sozialmodelle in den Blick nehmen. Wir brauchen deshalb neue Modelle zur sozialen Absicherung und einen anderen Arbeitsbegriff als klassische Erwerbsarbeit verbunden mit Sanktionsmechanismen.

1Nachhaltig“ in diesem Kontext meint 1) ökonomisch sinnvoll und verantwortbar, 2) ökologisch vertretbar und nützlich, 3) sozial verantwortbar und individuelle Rechte wahrend und 4) global verantwortbar, globale Negativtrends nicht verstärkend und den globalen Wissenstransfer und Wohlstandsausgleich unterstützend.