19. April 2020

Blogbeitrag: Wer soll das bezahlen?

EU-HaushaltGreen New DealSonstiges

Über Krisen Kosten oder warum die CORONA Krise der Zeitpunkt ist Deutschlands schwäbische Haushaltspolitik über Bord zu werfen.

Als ich im Herbst 2009 das erste Mal in den schleswig-holsteinischen Landtag gewählt wurde, schrumpfte die Wirtschaft der Bundesrepublik um knapp 6%. 

Bundes- und Landespolitiker*innen waren mit der Konstruktion und Umsetzung der Schuldenbremse beschäftigt.

Unsere erste Haushaltsberatung bestand aus unwürdigen Schlachten um Kürzungsprogramme bei Frauenhäusern, Schuldnerberatungsstellen und Hochschulen. 

Irgend jemand musste die Rechnung für die wegbrechenden Steuereinnahmen ja zahlen. Alle politischen Fraktionen lieferten sich einen Wettbewerb um die besten Kürzungskonzepte.

Gleichzeitig wuchs in Schleswig-Holstein der Investitionsstau um mehrere Milliarden Euro und unsere Bildungseinrichtungen wurden schlechter.

Meine Erfahrung aus Schleswig-Holstein sind beispielhaft für die deutsche Finanzpolitik 2009/2010.

Deutschland präsentiert sich gern als Lehrmeister für eine vernünftige Haushaltspolitik. Die Wahrheit ist aber auch, dass die Bundesrepublik über Jahrzehnte auf Verschleiß gefahren wurde. 

Bereits vor Corona schätzte das Institut der Deutschen Wirtschaft einen Investitionsbedarf für die Bundesrepublik für die kommenden Jahre auf über 450 Milliarden Euro.

Durch Corona gerät in Vergessenheit, dass die Wirtschaftsprognosen für die Bundesrepublik auch vor Corona immer schlechter wurden.

Auch jetzt, in Anbetracht der CORONA Krise, werden erste Stimmen laut, die uns ermahnen, dass die Kosten der Krise Konsequenzen für die öffentlichen Haushalte und uns alle haben.

Die Logik ist einleuchtend:

Wenn wir jetzt Milliarden Pakete schnüren, müssen wir später die Gürtel enger schnallen.

Das Geld kann schließlich nur einmal ausgegeben werden. Wer sich verschuldet, muss die Schulden schließlich bald zurückzahlen.

Wir denken Haushaltspolitik, wie wir erzogen worden sind.

Oberflächlich betrachtet stimmt es ja auch. Durch eine schwächelnde bis einbrechende Wirtschaft haben viele von uns weniger Einkommen und der Staat deutlich weniger Steuereinnahmen. 

Doch wir begehen einen entscheidenden Denkfehler:

Öffentliche Haushalte funktionieren nicht wie das eigene Girokonto.

Während private Schulden ein Minus auf dem eigenen Konto und weniger Handlungsspielraum bedeuten, taucht das Geld in Volkswirtschaften an anderer Stelle als Verbindlichkeit wieder auf. 

Während wir privat bei Einkommensverlusten kürzer treten müssen, wäre dies für eine Volkswirtschaft fatal.

Sinnvolle und notwendige Investitionen oder soziale Absicherung zu kürzen, kann Wirtschaftskrisen und Rezession vertiefen.

Ein öffentlicher Haushalt funktioniert anders. 

Der Staat stellt die Währung aus und bestimmt die Geldmenge (oder im Euro Beispiel die Europäische Zentralbank).

Es ist kein Zufall, dass in Krisen große Ausgabepakete durch die Zentralbanken abgesichert werden. Das deutlichste Beispiel ist dafür die Amerikanische Zentralbank FED, die durch die Ansage unbegrenzte Aufkäufe für Staatsanleihen vorzunehmen den Spielraum für US Konjunkturpakete und dem Helikoptergeld massiv erweitert hat.

Aber auch die Europäische Zentralbank sichert den Euro Raum ab und füllt Lücken, die die FinanzministerInnen der Euro Zone aufgrund ideologischer Streitereien geöffnet haben. 

Die Aufnahme von Schulden um Menschen mit wenig Einkommen abzusichern und Unternehmen zu unterstützen, ist keine große Gefahr.

Im Gegenteil:

Durch die richtige Geld Politik oder finanzpolitische Maßnahmen wie CORONA Bonds wird die Verschuldung nicht zum Problem

Die Euro Krise und die aktuelle Anleihepolitik der EZB untermauern das.

Wenn wir gestärkt aus der Krise kommen wollen, brauchen wir langfristig gestärkte Haushalte.

Nach dem Gröbsten die öffentlichen Haushalte zusammen zu kürzen um jetzige Konjunkturpakete zu finanzieren, wäre das Dümmste was man machen kann.

Die Kosten für die jetzigen Hilfspakete, müssen am Ende durch Ausgabekürzungen finanziert werden, so die Logik vieler Politiker*innen.

Wie 2009/2010.

Jetzige Hilfspakete würden durch Kürzungen bei Sozialleistungen, im Bildungssektor oder bei öffentlicher (und zukünftig klimagerechter) Infrastruktur finanziert werden.

Mal abgesehen davon, dass die Rechnung nicht aufgehen dürfte, hat Sie eine massive Schieflage.

Leiden würden vor allem Menschen, die auf öffentliche Unterstützung angewiesen sind:

Alleinerziehende, Rentner*innen in Altersarmut, Menschen mit Behinderungen oder chronischen Krankheiten.

Das darf nicht passieren.

Und muss es vor allem nicht.

Heutige Rettungspakete dürfen nicht die Spielräume für unseren Sozialstaat oder eine ambitionierte Klimapolitik Morgen einschränken. 

Wir brauchen auch nach den ersten Konjunkturpaketen Handlungsspielräume. 

Was nützen uns jetzige Wirtschaftspakete, wenn unser Gesundheitssystem weiter auf Verschleiß gefahren wird? Was bringt es uns, wenn wir als Antwort auf die Corona Krise Lehrer*innenstellen in einigen Jahren wieder kürzen und unser Bildungssystem schlechter wird?

Was nützt uns der Wiederaufbau unserer Wirtschaft, wenn wir in den nächsten Jahrzehnten unsere Gesellschaft nicht klimaneutral machen?

Durch lange Rückzahlungszeiträume oder auch durch solidarische Finanzierungsmodelle müssen wir dafür sorgen, dass unsere Handlungsspielräume sich nicht verkleinern. 

Sie müssen größer werden.

Vorschläge nach einer Europäischen Digitalsteuer um Facebook, Google, Amazon und co an den Krisenkosten zu beteiligen, gehören genauso wie eine Finanztransaktionssteuer und eine Vermögensbesteuerung auf die Tagesordnung.

Es ist unsere Entscheidung, ob die alleinerziehende Mutter, der von Altersarmut gezeichnete Rentner oder chronisch Erkrankte durch einen schlechten Sozialstaat die Zeche zahlen oder ob wir durch vernünftige Geldpolitik und einen angemessen Beitrag der Reichsten alle gestärkt aus der Krise rauskommen.

Niemand zwingt uns dazu die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen.

Es ist eine politische Entscheidung.

 Quellen:

https://www.handelsblatt.com/politik/konjunktur/research-institute/hri-konjunkturprognose-kein-aufschwung-in-sicht/25353686.html

Investitionsfonds für Deutschland | Institut der deutschen Wirtschaft

HRI-Konjunkturprognose: Kein Aufschwung in Sicht

Donald Trump: Helikoptergeld soll Absturz der US-Wirtschaft verhindern – DER SPIEGEL

Markteinschätzung: Die größten geld- und fiskalpolitischen Rettungsmaßnahmen aller Zeiten – 28.03.20 – BÖRSE ONLINE

Corona in Italien: EZB hilft mit Anleihkäufen

Anleihenkäufe: EZB tilgt die Schulden der Euro-Zone – WELT