Aufruf zur Wohnungspolitik – Sondierungen/Verhandlungen über eine neue GROKO

17. Januar 2018

Die Wohnungspolitik ist entscheidend, um die soziale Spaltung zu stoppen. Hohe Mieten und schlechte Wohnqualität bringen viele in existenzielle Probleme. Es ist Zeit für eine andere Wohnungspolitik. Ich habe deshalb mit vielen Kolleg*innen von Grünen und Linkspartei folgenden Aufruf zur Wohnungspolitik unterzeichnet. Liebe Groko, handelt jetzt!
„Eine schlechte Wohnung macht brave Leute verächtlich.“
(Johann Wolfgang von Goethe, Was wir bringen, Lauchstädt 3, 1802)
Was Goethe schon 1802 wusste, kann den Spitzen der Politik heute nicht verborgen
sein. Die Verfügung über Wohnraum ist existentiell. Niemandem dürfte entgangen
sein, dass heute insbesondere in deutschen Städten bezahlbarer Wohnraum ein
knappes Gut ist. Die Mietpreise explodieren und entwickeln sich um ein Vielfaches
schneller als die Einkommen. Diese Entwicklung bedroht in vielen Städten ihre
Bewohner*innen. Und die Konsequenzen bedrohen auch die Städte. Keine Stadt
wird mehr so sein, wie wir sie mögen, wenn nur Geld entscheidet, wer wo wohnt. Die
Wohnungsfrage ist heute eine der wichtigsten sozialen Fragen, die jetzt geregelt
werden muss. Sie betrifft besonders in Städten optional alle, die nicht reich sind.
Damit liegt auch die Demokratiefrage auf dem Tisch. Wer regiert für wen?
Wir richten diesen Appell an die Verhandler*innen über eine mögliche neue Große
Koalition. Die Wohnungsversorgung ist eine öffentliche Aufgabe und kann nicht allein
dem Markt überlassen werden. Stellen Sie sich dieser Verantwortung! Verweigern
Sie sich nicht, denn dies wird gravierende Folgen für die Mieter*innen und den
Zusammenhalt in den Städten haben, aber auch für die Verhandler*innen selbst.
Politisch. Nachhaltig. Keine Regelungen für Mieter*innen ist ein Statement gegen sie.
10 Punkte sind von der neuen Bundesregierung unabdingbar zu regeln:
1. Leistbares Wohnen muss vom Bund stärker gefördert werden – auch
über 2019 hinaus. Die Mittel für geförderten Wohnungsbau müssen deutlich
aufgestockt werden – insbesondere für Ballungszentren.
2. Der Bund unterlässt grundsätzlich, selbst als Preistreiber am Markt
aktiv zu sein durch den Verkauf öffentlicher Liegenschaften zum
Höchstpreis. Er verpflichtet sich, alle öffentlichen Liegenschaften im Besitz
der BIMA vorrangig den Kommunen preisgünstig zur Verfügung zu stellen.
3. Der Bund schafft alle Steuervorteile für Immobilienverkäufe ab, um der
Spekulation mit Immobilien zu begegnen. Die Grunderwerbssteuer wird
für alle Verkäufe verpflichtend. Daher Abschaffung der
? Vorteile bei anteiligen Immobilienverkäufe (share deals),
? Vorteile bei Immobilienverkäufen nach zehn Jahren.
4. Wiedereinführung der Wohnungsgemeinnützigkeit zur steuerlichen
Begünstigung von gemeinwohlorientierten Bauträgern, die preiswerten
Wohnraum mit dauerhaften Belegungsbindungen schaffen und sichern.
5. Der Mietspiegel muss preiswertere Bestandsmieten einbeziehen, damit
er nicht mehr nur die Mietsteigerungen der letzten vier Jahre abbildet.
? Erfassungszeitraum bei Neuverträgen/Vertragsänderungen auf
mindestens zehn Jahre ausweiten
? Erlass verbindlicher Kriterien des Bundes als Vorgabe für einen
qualifizierten und verbindlichen Mietspiegel, den alle Kommunen
verbindlich einführen.
6. Die Mietpreisbremse muss Wirkungsmacht entfalten können. Dazu
müssen alle Ausnahmeregelungen gestrichen und die Vermieter in die Pflicht
genommen werden. Sie muss über 2020 entfristet werden.
? der Vermieter muss rechtlich verbindlich die Vormiete nachweisen
? rückwirkender Anspruch des Mieters auf Erstattung bereits geleisteter
Überzahlungen
? möblierte Wohnungen werden einbezogen.
7. Die Modernisierungsumlage muss deutlich gesenkt, insgesamt gekappt
und befristet werden, da sie zur Verdrängung missbraucht wird.
? die Effizienz und Wirtschaftlichkeit von energetischen
Modernisierungen müssen nachgewiesen und die Betriebskosten
gesenkt werden.
8. Mieterhöhungen müssen begrenzt werden. Kappung von Mieterhöhungen
ohne Wohnwertverbesserungen von maximal 15 Prozent innerhalb von fünf
Jahren.
9. Das Baugesetzbuch wird reformiert, um Kommunen einen wirkungsvollen
Milieuschutz zu gewährleisten (Erhaltungsverordnung nach § 172
BauGB).
? gestrichen wird die Genehmigungsfreiheit für Umwandlungen in
Eigentumswohnungen durch Vorkaufsrecht des Mieters innerhalb von
sieben Jahren, da sie regelhaft missbraucht wird. Wird das Schlupfloch
nicht gestopft, können Umwandlungen in Milieuschutzgebieten trotz
Umwandlungsverbot nicht verhindert werden, obwohl Mieter die
Wohnung nicht kaufen.
? eingefügt wird, dass auch Kleingewerbe und soziale Träger einem
Schutz und besonderer Mietregelungen unterliegen, um aus
städtebaulichen Erhaltungsgründen und/oder dem Erhalt der
Zusammensetzung der Wohnbevölkerung eine bestimmte gewerbliche
Nutzung zu erhalten.
10. Eine zeitgemäße Bodenpolitik muss Grundstücke aktivieren und
Spekulation verhindern. Die anstehende Reform der Grundsteuer sollte
dafür genutzt werden.
Berlin, 14. Januar 2018
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